Süddeutsche Zeitung

Ramersdorf:Antisemitische Schmiererei an städtischer Wohnanlage

Lesezeit: 2 min

Von Thomas Anlauf

Schmierereien an Fassaden sind meist nicht nur hässlich. Für Hauseigentümer ist es zudem ziemlich teuer, die gesprühten Botschaften wieder entfernen zu lassen. Manch einer wartet mit dem Übermalen einfach, bis ohnehin ein neuer Hausanstrich fällig ist. Wenn es sich aber um rassistische oder antisemitische Schmierereien handelt, dürfte wohl kaum ein Immobilienbesitzer zögern, das Gekritzel wieder zu entfernen. An der Hauswand einer Siedlung der städtischen Wohnungsbaugesellschaft Gewofag ist ein durchgestrichener Davidstern zu sehen - und das seit einem Dreivierteljahr.

Die Kritzelei ist nicht verborgen angebracht, sondern weithin sichtbar in der Ayinger Straße an einer Hauswand neben einem Fenster im Erdgeschoss. Seit eineinhalb Jahren saniert die Gewofag in der Ramersdorfer Siedlung zwischen Innsbrucker Ring und Führichstraße einige der in die Jahre gekommenen Wohnblocks. Nicht nur den Bauarbeitern, die dort die Häuser sanieren, müssten die Schmierereien längst aufgefallen sein.

Die Schmiereien sollen übermalt werden

Auch die Hausmeister kommen an der Stelle regelmäßig vorbei. "Sie sind eigentlich jeden Tag im Quartier unterwegs", sagt Gewofag-Sprecherin Sabine Sommer. Doch von den antisemitischen Schmierereien war in der größten städtischen Wohnungsbaugesellschaft zunächst nichts bekannt. Erst auf SZ-Anfrage reagierte die Gewofag umgehend: An diesem Montag soll ein Maler den durchgestrichenen Davidstern überpinseln.

"Das darf einfach nicht sein, dass so etwas übersehen wird", sagte die Konzernsprecherin der SZ. "Wir bedauern den Vorfall außerordentlich." Wenn Anwohnern Schmierereien auffallen, können sie sich direkt an eines der fünf Gewofag-Mieterzentren wenden, dann werde der Schaden möglichst schnell beseitigt. Offenbar hat die antisemitische Kritzelei keinen der Mieter wirklich gestört, sonst wäre sie sicherlich längst gemeldet worden.

Sensibilisierung von Hausmeister und Mietern

Die Gewofag will den Vorfall nun zum Anlass nehmen, Gespräche mit ihren Mitarbeitern zu führen. "Wir werden unsere Hausmeister sensibilisieren", damit derartige Schmierereien nicht mehr so lange an den Fassaden zu sehen sind, sagt Sabine Sommer. Immerhin heißt es im Leitbild des Konzerns: "Wir schaffen ein Umfeld, in dem Menschen jedes Alters, unterschiedlicher Kulturen und Lebensformen sich begegnen und gut miteinander leben können." Die Gewofag, zu der inzwischen auch die Heimag gehört, verwaltet an 100 Standorten rund 35 000 Wohnungen in München und bezeichnet sich selbst als größte Vermieterin der Stadt. Das Unternehmen gehört, wie die GWG, zu 100 Prozent der Stadt München.

Ein weiteres Gekritzel in der Ramersdorfer Wohnanlage in unmittelbarer Nähe zu dem durchgestrichenen Davidstern ist mittlerweile entfernt worden. Möglicherweise stammte das Geschmiere vom selben Täter. Denn der Davidstern könnte für den Staat Israel stehen, auf der anderen Hauswand im Erdgeschoss stand "Free Palestine". Dieser Spruch verschwand allerdings vermutlich nicht, weil jemand die Gewofag informiert hatte. Das Haus, das derzeit saniert wird, erhielt einfach einen kompletten Neuanstrich.

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Quelle:
SZ vom 19.10.2015
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