Süddeutsche Zeitung

Quizzen für den guten Zweck:Liebeserklärung an Giesing

Lesezeit: 4 min

Fünf Freundinnen, sie nennen sich Bavarian Gladiators, organisieren ein Musikquiz, die "Boazn Beats". Das Publikum: so bunt und unschnöselig wie der Stadtteil.

Von Lena Bammert, München

In Runde fünf schreit ein Gast plötzlich die Worte "Biermösl Blosn" gen Bühne. Dort stehen Marie Orendi, 40, und Tanja Grath, 37, zwei der fünf Veranstalterinnen von "Boazn Beats" - einem neuen Musikquiz in der Schänke des Giesinger Bräu. Orendi und Grath moderieren das Quiz an einem Abend Ende Juli. An den roten Backsteinwänden hängen mehrere Flachbildschirme, zwei Leinwände und ein Beamer für die Videodurchläufe. Sechs Runden lang gibt's hier nicht nur was auf die Ohren, sondern auch auf die Augen. Und aufs Herz - denn das Musikquiz ist auch eine Liebeserklärung an Giesing.

Eine Stunde vor Beginn sitzen Orendi und Grath im Außenbereich der Schänke und erzählen von ihrem geliebten Stadtteil. Vom Giesinger Grünspitz, dem großen Gemeinschaftsprojekt mit Garten und Kiosk an der Tegernseer Landstraße, Ecke Martin-Luther-Straße. Von der rauen, ehrlichen und offenen Giesinger Kultur. Von den vielen "Familienfestl" aus der Kindheit Graths, von den vielen Giesinger Boazn: "Du kannst als junger Mensch hingehen, du kannst als interessant gekleideter Mensch hingehen. Das interessiert niemanden. Du kommst rein, trinkst a Bier und gehörst dazu", sagt Grath. "Hier sind keine Schnösel, das sind alles bodenständige und nette Leute", sagt Orendi. Die beiden sprechen über Giesing, aber auch über ihr Musikquiz, so ganz trennen kann man das nicht. Die Gäste: "bunt wie Giesing", sagt Orendi.

Bei den "Boazn Beats" treten an diesem Abend Ende Juli neun Teams gegeneinander an. Sie tragen Namen wie "Quizteama Aguilera", "Die herzigen Heinis" und "Tanke Harras". Familien mit Kindern, junge Menschen, ältere Menschen, Stammgäste, neue Gäste - alle sitzen an den hohen Holztischen in der Giesinger Bräu Schänke und warten darauf, dass es losgeht. Runde eins: "Warm-Up". "Master of Puppets" von Metallica wird angespielt. "Den hab' ich für meinen Mann eingebaut", sagt Orendi gut gelaunt ins Mikro. Runde drei: "Wie basst des zamm?" Das erste Team, das die Verbindung zwischen den Songs errät, bekommt eine Runde aufs Haus.

Es ist stimmig, dass das Musikquiz aus einem Stammtisch heraus entstanden ist. "Wenn man immer sagt, man müsste sich mal treffen, passiert das halt einfach nicht", sagt Grath. Also Stammtisch. Feste Termine, alle zwei Wochen, immer dienstags und donnerstags. Zusammen mit Susanne Fritsch, 37, Berni Bail, 37, und Denise Eltze, 36 erkunden Orendi und Grath Bars, Boazn und Bier der Stadt. "Am Anfang war es superlocker, das hat dann Fahrt aufgenommen mit dem Namen und der Entwicklung des Logos", erzählt Grath. Ihr Name: Bavarian Gladiators; das Logo: Zwei Frauen, eine im Dirndl, eine in Lederhose, tanzen - zusammen mit Hopfen, Bier und Brezn. Nach Name und Logo folgten Caps, Shirts, Hoodies, gravierte Brotzeitbrettl, Klebetattoos und sogar ein eigenes Craft Beer.

Eine Runde aufs Haus und Spenden für eine Münchner Hilfsorganisation

Und irgendwann auch eine Idee. "Boazn Beats" - Musikquiz, Leute zusammenbringen, Spenden für Münchner Hilfsorganisationen sammeln. Alle fünf Frauen haben eine Verbindung zu Giesing oder Untergiesing. Sie haben dort gewohnt, manche sind in dem Viertel sogar aufgewachsen, im Giesinger Bräu kennt man die Bavarian Gladiators sowieso. Also pitchen sie ihre Idee an Steffen Marx, den Chef der Brauerei. Der findet das super, trägt das Ganze gleich in den Kalender ein: Boazn Beats, jeden dritten Dienstag im Monat. Eintritt: zwei Euro, Spenden gerne gesehen, alle Einnahmen gehen an immer wechselnde Organisationen aus dem Münchner Umland.

In Runde fünf muss jetzt jedes Team fünf bayerische Bands beziehungsweise Künstler oder Künstlerinnen aufschreiben. Je mehr Übereinstimmung mit den anderen Teams, desto mehr Punkte gibt es. Die Teams beäugen sich misstrauisch, wer schreibt hier wohl was auf, eine junge Frau schaut hinüber, hält Blickkontakt und flüstert: "Nach was seht ihr wohl aus?"

Neun von neun Teams schreiben La Brass Banda auf. An die Sportfreunde Stiller haben immerhin sieben Teams gedacht. Die Biermösl Blosn wird zwar mit viel Enthusiasmus herausgeschrien, allerdings nur von einem Team. So richtig ernst nimmt sich hier niemand, alle wollen Spaß haben, auch wenn es was zu gewinnen gibt. Die Teams müssen ihre Zettel gegenseitig korrigieren, zwischen Larifari - "Wir ham des alles gelten lassen" - und purer Anerkennung - "Entschuldigung, was seid ihr denn für Brains?" - werden verschiedenste Sprachfetzen ausgetauscht. Zwei Männer und eine Frau treten mit Kindern an, sie tanzen zu Dua Lipas "One Kiss", spielen nebenbei UNO und werden auch sonst sehr kreativ. Aus "30 Seconds to Mars" werden "36 Seconds to Mars", Zoe Wees wird als "Mädchen aus Hamburg" umschrieben.

Die "Schmusikanten" holen auf, es reicht für den vierten Platz

Orendi, Grath und der Rest der Bavarian Gladiators organisieren das Quiz ehrenamtlich, kümmern sich um die Technik, um die Moderation. Hinter jedem Quizabend stecken zwei bis vier Arbeitstage, für jede von ihnen. "Alles, was wir hier tun, machen wir, weil wir Spaß daran haben und weil wir Spenden sammeln wollen", sagt Orendi. Schlussbilanz des heutigen Abends: 200 Euro für den Verein Lichtblick Seniorenhilfe, der Rentner in Altersarmut unterstützt.

"Die Schmusikanten" sind heute das kleinste Team. Alex Faatz ist mit einem Kumpel hier. Sie sitzen an einem kleinen Tisch, hinten an der Bar, neben den Edelstahltanks, aus denen das Bier frisch gezapft wird. Faatz trägt Bart, eine kurze Lederhose und ein blaues Shirt, auf dessen Ärmel sich ein paar Sechzger-Löwen versammeln. "Ich bin schon immer hier", sagt Faatz und meint damit Giesing. Er ist hier aufgewachsen, von dem Musikquiz hat er durch den Newsletter des Giesinger Bräu erfahren. Faatz war letztes Mal schon mit dabei, zusammen mit seiner Frau, "Vorvorletzte" sind sie geworden. Heute hat es sogar für den vierten Platz gereicht. Solche Veranstaltungen sind für ihn auch ein Zeichen von Veränderung. "Es ist schön, was in den letzten Jahren hier passiert ist", sagt Faatz. "Giesing ist ein Trendviertel geworden. Es ist ganz anders als in meiner Kindheit. Wenn mich jetzt jemand fragt, wo kommst du her, und ich sag Giesing, dann kommt da eine gute Reaktion."

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