Süddeutsche Zeitung

Prozess:Urteil zum Diesel-Fahrverbot: Richter mit peinlicher Pflicht

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Der Verwaltungsgerichtshof muss Freistaat und Stadt daran erinnern, dass europäische Vorgaben auch in München gelten. Doch nicht nur hier muss gehandelt werden.

Kommentar von Dominik Hutter

Es wirkt zunächst ein wenig kryptisch, was der Verwaltungsgerichtshof da verkündet hat: Freistaat und Stadt müssen Diesel-Fahrverbote zwar vorbereiten, aber nicht zwingend einführen. Mit diesem Spruch haben es die Richter vermieden, vorab eine Frage zu klären, die bereits beim Bundesverwaltungsgericht liegt: Gibt die aktuelle Rechtslage ein solches Verbot überhaupt her?

Die Botschaft ihres Beschlusses ist dennoch klar: Stadt und Freistaat müssen entschlossener gegen die Hauptverursacher der Stickstoffdioxid-Belastung vorgehen, und das sind nun einmal Diesel-Autos. Die EU-Grenzwerte müssen eingehalten werden, ein Weiterlavieren darf es nicht geben.

Dieser durchaus energische Ruf sollte in München und in Berlin Gehör finden. Man darf sich nicht täuschen lassen durch die schon fast komisch anmutende Höhe des Zwangsgeldes. Die Summe von insgesamt 10 000 Euro liegt bereits am oberen Rand des Möglichen, mehr ist in diesem Fall nicht drin. Aber darum geht es in Wirklichkeit auch gar nicht. Es geht darum, dass erst ein Gericht Freistaat und Stadt daran erinnern muss, dass europäische Vorgaben auch in München gelten. Das ist peinlich. Und es verpflichtet.

Sollte das Bundesverwaltungsgericht Diesel-Fahrverbote für zulässig erklären, dürfte sich München schwer tun, ein bereits verfasstes und in der Öffentlichkeit diskutiertes Konzept wieder in der Schublade verschwinden zu lassen. Einfach wird es allerdings nicht, jetzt schon so einen Plan zu erstellen - Freistaat und Stadt sind ja eigentlich überzeugt davon, dass die Paragrafen gar keinen Diesel-Bann zulassen. Zumindest die aktuellen. Denn auch diese Interpretation könnte man aus dem Beschluss herauslesen: Ohne Fahrverbote geht es nicht, also ändert bitte die Straßenverkehrsordnung entsprechend. Ein Wink mit dem Zaunpfahl gen Berlin.

Tatsächlich trägt die Bundesregierung die Hauptschuld an der unbefriedigenden Situation. Eine Kommune kann keine maximalen Schadstoffwerte für Neuzulassungen beschließen, sie kann nicht einmal die Blaue Plakette für die eigene Umweltzone einführen. Der Bund kann das. Nur: Er will offenbar nicht. Und München muss es ausbaden.

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Quelle:
SZ vom 02.03.2017
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