Süddeutsche Zeitung

Prozess:Kurioser Nachbarschaftsstreit landet vor Gericht

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Von Stephan Handel

Ist auch schon wieder fast 20 Jahre her, dass Stefan Raab die vogtländische Eigenheimbesitzerin Regine Zindler und ihren Maschendrahtzaun verewigte, der Nachbarschaftsstreit als Popsong. Im Jahr 2017 hätte er sich auch in München inspirieren lassen können, der Titel hätte geheißen: Metallleiter. Mit einer solchen nämlich musste sich das Amtsgericht befassen.

Zwei Reihenmittelhäuser in Garching bewohnen die Beteiligten des Streits, sie sollen hier Familie A. und Familie B. heißen. Als Familie A. mehrere Wochen in Sommerurlaub fuhr, 2015 war das, da baute Familie B. zwischen den beiden Terrassen eine Holztrennwand - ohne ihre Nachbarn zu fragen, was schon unhöflich genug war. Schlimmer aber noch: Zur Befestigung der Wand bohrten sie Löcher nicht nur in die Außenmauer ihres Hauses, sondern auch in das der Familie A.

Es kam noch ein zweites schwerwiegendes Delikt dazu: Die Familie B. lehnte eine große, schwere Metallleiter an das Haus der Kläger. Nicht nur entstand dadurch die Gefahr eines Schadens an der "Dachziegelabschlusskante" - so heißt offensichtlich auf Juristisch der Teil, an dem das Dach zu Ende ist. Die Leiter lehnte auch noch so am Haus, dass jemand, wäre er auf die Leiter gestiegen, genau in das Schlafzimmer der Eheleute A. hätte schauen können.

Man könnte meinen, eine solche Angelegenheit wäre unter Bayern und unter Nachbarn schnell zu regeln: "Schaugst, dassd dei Loata wegraamst." Nicht so aber mit der Familie B. - die ließ die Leiter über Monate stehen und verwies nur darauf, dass sie ja zu 100 Prozent auf ihrem eigenen Grundstück stehe, also unten. Da blieb der Familie A. letztendlich nichts anderes übrig, als vor Gericht zu ziehen.

Dort gab ihr die Amtsrichterin triumphal Recht: "Durch die Anlehnung der Leiter an die Dachkante der Kläger nutzen die Beklagten die Dachkante der Kläger. Das Eigentumsrecht beinhaltet auch die Ausschlussfunktion, jeden Nichtberechtigten von der Nutzung seines Eigentums abzuhalten. Die Kläger können daher von den Beklagten die Entfernung der Leiter verlangen", subsumiert das Urteil glasklar.

Trennwand wurde während des Verfahrens beseitigt

Und auch in Sachen Holztrennwand fand das Gericht deutliche Worte - wenn auch die Wand während des laufenden Gerichtsverfahrens beseitigt worden war: "Die Anbringung von Bohrlöchern in die Wohnzimmeraußenwand des Hauses der Kläger durch die Beklagten stellt eine Beeinträchtigung des Eigentums der Kläger dar. Durch diesen Eingriff besteht die Gefahr, dass Wasser in die Wohnzimmerwand der Kläger eindringt und/oder Frostschäden entstehen", stellte das Gericht aus eigener Sachkunde, also ohne Hinzuziehung eines Sachverständigen fest.

Insgesamt verurteilte es die Familie B. - rechtskräftig - dazu, erstens die Leiter zu entfernen und zweitens künftig keine Löcher mehr in des Nachbarns Haus zu bohren. Ob Stefan Raab bereits an einer Vertonung des Garchinger Nachbarschaftsdramas arbeitet, ist nicht bekannt. (233 C 29540/15)

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Quelle:
SZ vom 31.07.2017
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