Süddeutsche Zeitung

Prozess in München:Kreissägen-Mord: Richter liest aus Tagebuch der Angeklagten vor

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Aus dem Gericht von Susi Wimmer

"Er setzte sich die Brille auf, ich fesselte ihn, wie er verlangte. Panik. Ausweglosigkeit. Angst. Ich oder er. Es konnte nur so ein Ende finden." Zum ersten Mal las Richter Michael Höhne im Mordprozess um Gabi P. am Freitag Auszüge aus dem Tagebuch vor, das die heute 32-Jährige vermutlich zwei Jahre nach der Tat verfasst hatte. Die Sätze im Tagebuch lassen den Schluss zu, dass das Opfer, ihr damaliger Freund, völlig ahnungs- und wehrlos gewesen sein muss.

In den polizeilichen Vernehmungen hingegen machte Gabi P. erhebliche Erinnerungslücken geltend, besonders dann, wenn es um den genauen Tathergang ging. Die Umstände allerdings sind für das Strafmaß erheblich: Ob das Gericht die Tat als Totschlag wertet, als heimtückischen Mord, oder sogar von einer besonderen Schwere der Schuld ausgeht. Das Urteil soll erst am 19. Mai verkündet werden.

Die Verhandlung um die Frau, die laut Staatsanwaltschaft im Dezember 2008 ihren damaligen Freund Alex H. beim Sex mit einer Kreissäge getötet, die Leiche mit Freunden vergraben und die Tat über sieben Jahre verschwiegen haben soll, wird sich also über drei Monate ziehen. Im Zeugenstand sitzt eine 41 Jahre alte Kriminalhauptkommissarin, polizeiliche Sachbearbeiterin im Fall Gabi P.

Sie erzählt, wie die Polizei im Januar 2016 einen Hinweis aus Konstanz erhielt, dass eine Gabi P. aus Haar ihren Lebensgefährten vor sieben bis zehn Jahren zerstückelt und im Garten vergraben habe. Wenig Tage später wird die Studentin festgenommen und auf der Fahrt, so berichtet die Beamtin, sei Gabi P. "emotional aufgewühlt" gewesen, habe Weinkrämpfe gehabt. Nach der Frage nach dem Warum, habe sie die Beamtin "mit großen Augen" angesehen und "Angst" gesagt. Es seien nur einzelne Worte aus ihr herausgekommen. Und dann dieses eine Wort: "Kreissäge".

Erzwungene Dreiecksbeziehung mit "Viki"

Für Richter Michael Höhne ist bei der Befragung der Zeugin auch wichtig, ob die Angeklagte tatsächlich von ihrem Freund körperlich misshandelt wurde, wie sie im Prozess behauptete. Doch mit Beweisen kann ihm die Polizistin nicht dienen: Es wurden ärztlicherseits damals keine Verletzungen dokumentiert, es gebe keine Zeugen, die jemals blaue Flecken gesehen hätten, und auch bei der Polizei sei nie eine Anzeige wegen häuslicher Gewalt eingegangen. Die einzige Zeugin, die Gabi P. bei der Polizei als Mitwisserin aufführte, sei ihre Mutter gewesen - und die sei bereits tot.

Stattdessen bleiben die Aussagen von Gabi P. widersprüchlich. Sie, die unter den Sexspielen ihres Freundes gelitten haben soll, schrieb in ihr Tagebuch, dass sie mit dem neuen Freund Sexutensilien besorgen wolle: "Sie will wieder spielen." Und die Dreiecksbeziehung mit "Viki" sei erzwungen gewesen, sagte Gabi P. bei der polizeilichen Vernehmung. Sie habe nur ihren Freund zufrieden stellen wollen. Als "Viki" die Beziehung beendet, schrieb Gabi P. ihrer Freundin: "Eigentlich war es sehr schön. Ich will wieder eine Viki 2, die den leeren Raum füllt."

Tatsache ist, dass sich Gabi P. erinnern kann, dass die Kreissäge wegen Umbauarbeiten im Dachgeschoss lag - und dass sie eingesteckt war. Sie kann sich erinnern, dass sie die Säge weggeworfen hat - und dass sie später versucht hat, die Leiche zu zerstückeln. "Ich bin frei, ich habe wieder Freude am Leben", schrieb sie nach der Tat in ihr Tagebuch. Als Gabi P. gefragt wurde, ob ihr die Tat leid tue, habe sie geantwortet: "Es tut mir leid." Aber, sagt die Beamtin, "es klang nicht reuevoll. Sie wusste, dass man das in dem Augenblick besser so sagt."

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SZ vom 25.03.2017
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