Süddeutsche Zeitung

Prozess:Falsche Polizisten wollen Seniorinnen um ihr Erspartes bringen

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Von Andreas Salch

Sie kam gerade aus dem Türkei-Urlaub nach Hause, als das Telefon klingelte. "Hier spricht die Polizei", sagte eine männliche Stimme zu Gertrud A. ( Name geändert). Es war kurz nach 21 Uhr, Ende September vergangenen Jahres. Sie solle sofort alle Fenster und Türen ihrer Wohnung schließen. In Schwabing, wo die alleinstehende 71-jährige Rentnerin lebt, seien Einbrecher unterwegs. Außerdem solle sie ihr Geld von der Bank holen. Denn dort arbeiteten "zwei Maulwürfe", die es auf ihre Ersparnisse abgesehen hätten.

Für den nächsten Tag vereinbarte der Polizist ein Treffen mit Gertrud A. vor dem Haus, in dem sie wohnt. Ein Kollege von ihm, sagte der Beamte am Telefon, ein Herr Moritz, er sei V-Mann, werde in Zivil kommen, sich ihr mit dem Kennwort "Rose" zu erkennen geben und ihr Geld entgegennehmen. Gertrud A. ließ sich darauf ein und übergab am 20. September dem Polizisten Moritz ihre kompletten Ersparnisse, 11 500 Euro. Gertrud A. wurde das Opfer von Betrügern.

Bei dem falschen Polizisten soll es sich um Hasan K. handeln. Seit Donnerstag muss sich der 30-Jährige mit seinem mutmaßlichen Komplizen Fedai B. vor einem Schöffengericht am Amtsgericht München verantworten. Die Staatsanwaltschaft hat Anklage wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs und Amtsanmaßung erhoben. Hasan K. und Fedai B. sollen zu einer von der Türkei aus agierenden Bande gehören. Die Tat sei von "besonderer Verwerflichkeit", da es sich bei den Opfern um alte Menschen handle, so die Staatsanwaltschaft. Zudem hätten die Angeklagten das Vertrauen der Öffentlichkeit in "staatstragende Personen missbraucht".

Einen Tag nach dem Treffen mit Gertrud A. soll Hasan K. versucht haben, die 82 Jahre alte Renate T. ( Name geändert) mit der gleichen Masche zu betrügen. Zuerst hatte sie ein "Staatsanwalt Beck" gegen 20.30 Uhr zu Hause angerufen. Das Geld auf ihrem Konto sei gefährdet. Sie solle alles abheben und in "sichere Hände geben", habe ihr der Staatsanwalt gesagt, so die Seniorin vor dem Schöffengericht. Renate T. wurde misstrauisch. Zum Schein stimmte sie einem Treffen mit einem V-Mann zu, ging zuvor aber zur Polizeiinspektion 13 in der Johann-Fichte-Straße. Dort berichtete sie von dem obskuren Staatsanwalt.

Die Beamten boten Renate T. an, mit ihr zusammenzuarbeiten. Sie hätte dem V-Mann, bei dem es sich um Hasan K. handelte, 31 000 Euro übergeben sollen. Bei der Übergabe wurde der 30-Jährige auf der Straße von einer zivilen Polizeibeamtin, die die ganze Zeit in der Wohnung von Renate T. war, mit vorgehaltener Pistole festgenommen. Fedai B. ging zwei anderen Fahndern in Zivil ins Netz.

Die mutmaßlichen Betrüger geben sich arglos

Bei ihrer Vernehmung vor Gericht gaben sich die beiden Männer arglos. Ihr Auftraggeber in der Türkei, ein gewisser Murat A., habe ihnen gesagt, sie sollten für ihn Geld bei Leuten abholen, die Schulden bei ihm haben. "Ich habe mit kriminellen Sachen nix zu tun, ich habe Murat A. einfach vertraut. Das war mein größter Fehler", beteuerte Hasan K. Fedai B. sagte, er sei im Nachhinein "schockiert" darüber, dass es nicht darum ging, Schulden einzutreiben, sondern einer älteren Dame ihr Geld wegzunehmen. Zu dem Betrug an Gertrud A. machten beide keinerlei Angaben. Die 71-Jährige leidet seit der Tat an schweren Depressionen und befindet sich in psychotherapeutischer Behandlung. Sie habe sogar Suizidgedanken gehabt, so Gertrud A.

Bei Renate T. entschuldigten sich Hasan K. und Fedai B. Es tue ihm leid, dass er sie so erschreckt habe, sagte B. Gleich darauf schmunzelte der 41-Jährige. Renate T. sei nach der Festnahme der Angeklagten "fertig mit der Welt" gewesen, so die Polizeibeamtin, die sie beschützte. Die Senioren habe "gezittert". Als sie zu ihr gesagt habe, dass sie alles sehr gut gemacht habe, habe Renate T. erwidert: "Wenn ich beerdigt werde, soll der Polizeipräsident eine Rede halten, dass ich das so toll gemacht habe." Die 82-Jährige habe ihr "richtig leid getan", sagte die Beamtin. Der Prozess dauert an.

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SZ vom 21.07.2017
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