Süddeutsche Zeitung

Prozess:Embryo mit Medikamenten getötet: Vater muss in Haft

Lesezeit: 2 min

Von Christian Rost

Weil er nicht wollte, dass seine Frau ein sechstes Kind bekommt, hat ein 38-Jähriger ihr unter falschem Vorwand ein Medikament gegeben, das zum Schwangerschaftsabbruch führte. Die 40-Jährige verlor das Kind in der neunten Woche. Das Münchner Amtsgericht verurteilte den Mann am Freitag zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und zwei Monaten Haft.

Das Schöffengericht unter dem Vorsitz von Karin Jung sprach den Angeklagten des Schwangerschaftsabbruchs und der Körperverletzung schuldig, weil er zudem seinen knapp achtjährigen Sohn mit einem Schuh geschlagen hatte.

Die Beziehung des nach islamischem Recht verheirateten Paars war schon länger zerrüttet, weil der Mann immer wieder Affären hatte und zuletzt getrennt von seiner Familie bei einer Frau lebte, mit der er ebenfalls ein Kind hat. Seine Frau empfand diesen Zustand schon länger als "normal", weshalb sie trotz seiner Liebschaften gelegentlich weiterhin Geschlechtsverkehr mit ihm hatte. Im September 2014 wurde die Frau erneut schwanger, sie erwartete ihr sechstes Kind. An eine Abtreibung dachte sie nicht, schon aus religiösen Gründen: "Das ist Sünde", sagte die Frau im Zeugenstand.

Ihr Mann indes wollte laut dem Urteil das Kind nicht, womöglich wegen des Unterhalts, den er hätte zahlen müssen. Auf unbekannte Weise besorgte sich der Angeklagte, der sich zu den Vorwürfen vor Gericht nur bruchstückhaft einließ, Tabletten, die laut rechtsmedizinischem Gutachten nach der Einnahme unmittelbar zum Schwangerschaftsabbruch führen. Schon ein bis zwei Tabletten reichten demnach aus, um das Kind im Mutterleib zu töten.

Der Mann hatte seiner Frau nach deren Aussage im Glauben gelassen, bei dem Medikament handle es sich um ein Präparat, das gegen Übelkeit in der Schwangerschaft helfe. Die Frau nahm binnen eines halben Tages mindestens sechs Tabletten ein und bekam Blutungen und "Schmerzen, wie ich sie noch nie hatte", wie sie sagte. Dennoch begab sie sich erst zwei Wochen später in eine Klinik, wo die Ärzte den Tod des Ungeborenen feststellten.

Die Mutter wusste nichts von der Wirkung der Medikamente

Staatsanwältin Dana-Alexandra Samson forderte dreieinhalb Jahre Haft für den Mann. Die Anklägerin bewertete die Aussage der Mutter als glaubwürdig. Sie habe keinen Belastungseifer gezeigt und ihren Mann auch gar nicht anzeigen wollen, so Samson. Die Frau war eigentlich bei der Polizei erschienen, weil sie Streit um Geld mit ihrem Mann und er zumindest eines seiner Kinder geschlagen hatte. Bei ihrer Vernehmung kam dann auch der ungewollte Schwangerschaftsabbruch zur Sprache. Die Anwältin der Nebenklage, Felicitas Krais, schloss sich den Ausführungen der Staatsanwältin an.

Verteidiger Andreas Schwarzer hielt es nicht für erwiesen, dass die Mutter nichts von der Wirkung der Tabletten wusste. Für sie komme es nicht ungelegen, wenn ihrem Mann die Schuld an dem Schwangerschaftsabbruch gegeben werde. "Dann ist sie strafrechtlich und moralisch aus dem Schneider." Er beantragte eine moderate Geldstrafe für seinen Mandanten für die Schläge mit einer Ledersandale auf den Arm seines Sohnes.

Richterin Jung betonte in der Urteilsbegründung, dass die Frau keinen Grund habe, den Angeklagten fälschlich zu belasten. "Sie hätte das Kind bekommen wie die anderen fünf auch. Sie hat nicht darüber nachgedacht, es nicht zu bekommen", so die Vorsitzende. Der Verteidiger kündigte Berufung gegen das Urteil an.

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Quelle:
SZ vom 16.07.2016
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