Süddeutsche Zeitung

Prozess:Ein Pirat wehrt sich gegen Pegida

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Von Stephan Handel

Ein Mitglied der Münchner Piraten-Partei muss es nicht dulden, dass sein Foto bei Pegida-Veranstaltungen öffentlich gezeigt wird. Das hat das Landgericht entschieden, nachdem der Münchner Pegida-Verein eine Einstweilige Verfügung nicht akzeptieren wollte, mit der ihm die Verwendung des Fotos schon verboten worden war.

Den Kläger nennt das Urteil (AZ: 9 O 18788/16) "politisch engagiert"; er ist besonders gegen AfD und "Die Freiheitlichen" aktiv. Die AfD betrieb im September 2016 auf der Leopoldstraße einen Informationsstand. In dessen Nähe hielt sich der Kläger auf und wurde dabei fotografiert. Er trug an diesem Tag ein T-Shirt mit der Aufschrift "Deutschland Du mieses Stuck Scheiße". Der fehlende Umlaut im Wort "Stuck" ist kein Druckfehler, sondern Kunst: Das T-Shirt stammt von Studenten der Kunstakademie, die durch die falsche Schreibweise "zum Nachdenken anregen" wollten.

Das Foto verwendete Pegida rund einen Monat später bei einer Kundgebung auf dem Odeonsplatz: Es wurde um ein Vielfaches vergrößert auf einer Leinwand gezeigt; der Kläger war klar identifizierbar. Dagegen wandte er sich, zunächst mit einer Einstweiligen Verfügung, die Pegida jedoch nicht akzeptierte. So sprach der Richter der 9. Zivilkammer nun ein Endurteil.

Pegida argumentierte zweifach gegen das Verbot: Zum einen habe der Kläger nicht seine korrekte, "ladungsfähige" Anschrift angegeben. Zum anderen stelle der Spruch auf dem T-Shirt eine Straftat dar, nämlich eine Verunglimpfung des Staates, und dürfe deshalb dokumentiert werden. Beiden Argumenten folgte der Richter nicht.

Seine Post lässt sich der Kläger über die Geschäftsstelle der Piratenpartei zustellen - er sei vielfältig politisch aktiv und deshalb selbst gefährdet, weshalb es ihm nicht zuzumuten sei, seine private Adresse zu veröffentlichen. So sei beim KVR eine Auskunftssperre im Melderegister eingetragen. Das Gericht fand, dass der Kläger ein schutzwürdiges Interesse an der Geheimhaltung seiner Adresse habe und deshalb eine Ausnahme von den Vorschriften der Zivilprozessordnung gemacht werden könne - die "Ersatz-Adresse" in der Geschäftsstelle sei ausreichend.

Ob die Aussage auf dem T-Shirt überhaupt eine Straftat darstellt, untersuchte das Gericht nicht: Selbst wenn es so wäre, hätte Pegida andere Möglichkeiten gehabt, diese zur Anzeige zu bringen, als die Veröffentlichung des Fotos auf einer Leinwand. Vielmehr könne sogar eben diese Veröffentlichung eine Straftat sein. Nebenbei: Die Berliner Staatsanwaltschaft hat vor kurzem die Eröffnung eines Strafverfahrens gegen linke Demonstranten abgelehnt, die ein Transparent mit einer ähnlichen Aufschrift gezeigt hatten: Es sei keine Straftat zu erkennen.

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Quelle:
SZ vom 02.03.2017
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