Süddeutsche Zeitung

Prozess:61,20 Euro für zwölf Stunden Verspätung

Lesezeit: 2 min

Von Stephan Handel

Über 1350 Euro wollte er - ganze 61,20 hat er bekommen: Der Versuch eines Urlaubers, seine Fluggesellschaft wegen einer erheblichen Verspätung zur Kasse zu bitten, ist gründlich in die Hosen gegangen. Am Amtsgericht München scheiterte er fast vollständig mit seiner Klage auf Schadenersatz.

Der Mann hatte für sich und seine Lebensgefährtin eine Reise nach Sri Lanka gebucht, für 1768 Euro. Darin enthalten waren Hin- und Rückflug mit einer Maschine von Air Berlin. Als der Rückflug anstand, erfuhr das Paar erst durch die Informationstafel im Flughafen, dass der Flug nun von Etihad Air durchgeführt werden sollte.

Das wäre noch zu verkraften gewesen - allerdings startete dieser Flug jetzt nicht um 4.40 Uhr wie gebucht, sondern erst um 7.45 Uhr. Dadurch verpassten die Reisenden ihren Anschlussflug von Abu Dhabi nach Frankfurt. Letztendlich kamen sie dort gut zwölf Stunden zu spät an, nachts um 2 Uhr statt bereits mittags um 13.40 Uhr.

Der Mann zog deshalb vor Gericht: Für den einen Tag, den er ungewollt auf Flughäfen und in Flugzeugen verbringen musste, verlangte er von dem Reiseveranstalter eine hundertprozentige Minderung des Reisepreises, 177,33 Euro. Zudem machte er geltend, was ihm zugestanden wäre, hätte Air Berlin die zwölfstündige Verspätung produziert: Die europäische Fluggastrechte-Verordnung sieht in einem solchen Fall eine Zahlung von 600 Euro pro Person vor. So kam er auf die Klagesumme von insgesamt 1377,33 Euro.

Nichts da, sagte die Amtsrichterin: Dieser Schadenersatz-Anspruch könne nur gegenüber europäischen Fluggesellschaften geltend gemacht werden, also nicht gegenüber Etihad, der Fluggesellschaft der Vereinigten Arabischen Emirate. Zudem sei der Austausch nicht ursächlich für die Verspätung gewesen.

Keine Fluglinie aus Europa

Also sei der Reiseveranstalter auch gar nicht verantwortlich für einen eingetretenen Schaden - "nicht zurechenbar" nennen Juristen das. Deshalb musste das Gericht auch nicht mehr prüfen, ob die Fluggesellschaft habe ausgetauscht werden dürfen - allerdings stehe schon in der Buchungsbestätigung für die Reise, dass "Details und Zeiten unverbindlich" seien.

Deshalb, so das Gericht, berechne sich die mögliche Minderung des Reisepreises nach der üblichen Rechtsprechung. Diese sieht vor, dass die ersten vier Stunden Verspätung noch kein Schaden, sondern nur eine Unannehmlichkeit darstellten. Danach gebe es für jede weitere Stunde fünf Prozent des Tagespreises. Der Rest ist Unterstufen-Mathematik: 1768 Euro geteilt durch 13 Tage Reisedauer ergibt 136 Euro. Davon fünf Prozent: 6,80 Euro. Mal neun Stunden: Exakt 61,20 Euro muss der Reiseveranstalter bezahlen. Das Urteil ist rechtskräftig. (AZ: 261 C 13238/16)

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3541871
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 12.06.2017
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.