Süddeutsche Zeitung

Protest am Odeonsplatz:Warum der öffentliche Dienst auf die Straße geht

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Von Bernd Kastner

"Frist macht Frust", steht auf einem der Plakate, es ist eine Anspielung auf die vielen befristeten Arbeitsverträge, etwa an Universitäten. Und auf dem Plakat einer Pflegekraft steht: "Wir sind überarbeitet. Möchten Sie unser nächster Patient sein?" Ein anderer Spruch verwundert ein wenig: "Gegen schlechte Arbeitsbedingungen gibt es kein Medikament." Dabei haben drei Gewerkschaften ihren Mitgliedern, die im öffentlichen Dienst der Bundesländer arbeiten, eine altbekannte Medizin verschrieben: Warnstreik.

Etwa 1000 Beschäftigte sind am Freitag auf den Odeonsplatz gezogen, Mitarbeiter von Universitäten, Kliniken, Gerichten, Polizei, um in Ruf- und Pfeif-Weite des Finanzministeriums zu rebellieren gegen das, was man ihnen bislang in den Tarifverhandlungen angeboten hat. Unter anderem Verschlechterungen bei den Betriebsrenten, aber kein Angebot für ein Lohnplus, beklagt Münchens Verdi-Chef Heinrich Birner.

Die Dienstleistungsgewerkschaft fordert zusammen mit der Gewerkschaft der Polizei (GdP) 5,5 Prozent mehr Gehalt. Der Tarifabschluss für die Angestellten sollte anschließend von den Beamten übernommen werden. So kam es, dass auch einige Polizeibeamte sich mit ihren angestellten Kollegen solidarisierten - in ihrer Freizeit. "Das Ganze wäre nicht nötig", kritisiert Helmut Bahr, Landeschef der GdP, die "Blockadehaltung" der staatlichen Arbeitgeber in den Verhandlungen.

Zu wenig Personal und fehlender Nachwuchs

Mona Germann-Gruber arbeitet als Krankenschwester im Haunerschen Kinderspital und nimmt zum ersten Mal an einem Streik teil. Weil das Fass jetzt übergelaufen sei, sagt sie. Sie hätten viel zu wenig Personal, was zur Folge habe, dass sie und Kollegen regelmäßig in der Freizeit angerufen und gefragt würden: Könnt ihr einspringen? Klar, das tue man dann, den diensthabenden Kollegen zuliebe. Zu wenig Personal gebe es auch deshalb, weil ein Job in der Pflege mittlerweile so unattraktiv sei. Weil der Nachwuchs fehle, seien viele vorhandene Stellen einfach unbesetzt, wachse der Stress weiter.

"Man schimpft immer", sagt Germann-Gruber, "aber man muss auch mal für die eigenen Rechte auf die Straße gehen." Ehe sie das taten, habe sie mit ihren Kollegen die Notfallbehandlung auf ihrer Station organisiert. Im Klinikum rechts der Isar etwa waren die meisten der etwa 30 Operationssäle geschlossen, viele OPs wurden laut einer Kliniksprecherin verschoben.

Protestiert wurde auch beim angeschlagenen Gelddrucker Giesecke und Devrient in Bogenhausen. Dort aber nicht wegen Tarifverhandlungen, sondern wegen des angekündigten Stellenabbaus. 350 Mitarbeiter bildeten laut Verdi eine Menschenkette um die Firmenzentrale.

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Quelle:
SZ vom 14.03.2015
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