Süddeutsche Zeitung

Vorwürfe gegen Polizisten:Erste Anklage im Drogenskandal bei Münchner Polizei

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Die Staatsanwaltschaft wirft dem Beamten unter anderem vor, im Dienst Marihuana sichergestellt und für sich behalten zu haben. Inzwischen wird gegen 36 Verdächtige ermittelt.

Koksende Polizisten und Beamte, die beschlagnahmte Drogen abzweigen: Der Drogenskandal bei der Münchner Polizei machte im vergangenen Jahr große Schlagzeilen - jetzt gibt es die erste Anklage in dem Fall, wie die Staatsanwaltschaft München I am Donnerstag mitteilte.

Sie wirft einem Polizisten der Inspektion 23 im Stadtteil Giesing den Erwerb und Besitz von Betäubungs- und Dopingmitteln und einen so genannten Verwahrungsbruch vor. Der Polizeibeamte soll im Dienst Marihuana sichergestellt und für sich behalten haben. Die Anklage sei ihm zugestellt worden, wann der Prozess am Amtsgericht München beginnen soll, war aber zunächst noch unklar. Es ist ein wahrer Drogensumpf, der nun nach und nach trocken gelegt werden muss: Wie der inzwischen pensionierte Münchner Polizeipräsident Hubertus Andrä im vergangenen Herbst im bayerischen Landtag sagte, sollen Münchner Polizisten mindestens seit 2018 in die Drogenszene verwickelt gewesen sein.

Die Vorwürfe gegen die Polizisten waren nur ans Licht gekommen, weil ein mutmaßlicher Drogendealer, der vor allem Kunden eines Münchner Nachtclubs mit Rauschmitteln versorgt haben soll, quasi als Kronzeuge Vorwürfe gegen Polizisten erhoben hatte.

Seither stehen Vorwürfe im Raum, "dass Polizisten in München Kokain konsumieren, verkaufen, ankaufen", wie es von Seiten eines LKA-Ermittlers hieß. Es soll sogar einen speziellen Polizisten-Rabatt auf Kokain gegeben haben. Quelle auch für diese Vorwürfe ist wieder der Kronzeuge, ein geständiger Dealer, der eine gut betuchte Klientel vor allem in einem exklusiven Privatclub mit Drogen versorgt haben soll. Er habe damit geprahlt, "Polizisten zu kennen, die ihn schützen". Bei einer großangelegten Drogen-Razzia im Herbst 2020 durchsuchten dann rund 170 Ermittler 30 Wohnungen und 7 Dienststellen in und um München, in Augsburg, Dachau, Wolfratshausen, Ebersberg und an der Hochschule der Polizei in Fürstenfeldbruck.

Besonders betroffen war laut Ermittlern die Polizeiinspektion 11 in der Münchner Altstadt. Außerdem besteht der Verdacht, dass es in einem Fall einen von den Polizisten behaupteten Widerstand gegen Polizeibeamte - der sogar vor Gericht landete - gar nicht gegeben hat. Der schwerwiegende Vorwurf der Verfolgung Unschuldiger stand im Raum.

Die "Soko Nightlife" hat ihre Ermittlungen in dem Skandal nach Angaben von Staatsanwaltschafts-Sprecherin Anne Leiding inzwischen auf 36 Verdächtige ausgeweitet. Gegen sechs der Beschuldigten wurde das Verfahren bereits eingestellt, weil keine Tat nachweisbar war. Gegen einzelne weitere Beschuldigte wurde das Verfahren gegen Geldauflage eingestellt oder ein Strafbefehl beantragt. "Die sehr umfangreichen Ermittlungen dauern an, insbesondere die Auswertung von inzwischen rund 6,7 Millionen Chatnachrichten", sagte Leiding.

Darunter seien 6,5 Millionen Bilder und rund 130 000 Videos. Weitere Verfahren sollen aber in den kommenden Wochen und Monaten abgeschlossen werden. Im vergangenen Jahr nannte Leiding die Ermittlungen die umfangreichsten, die die Staatsanwaltschaft jemals gegen Polizisten geführt hat.

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SZ vom 30.04.2021 / dpa
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