Süddeutsche Zeitung

Pflegeheim für Muslime:Mit Wasserpfeife und Samowar

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Ein Münchner Pflegeheim eröffnet erstmals einen Bereich für Muslime. Alles ist vorbereitet - nur Bewohner fehlen

Von Sven Loerzer, München

Es ist ein besonderes Angebot, das Muslimen künftig ermöglichen soll, sich im Hans-Sieber-Haus des städtischen Altenheimträgers Münchenstift wohlzufühlen. Auf den ersten Blick fällt das kaum auf - denn in dem Untermenzinger Pflegeheim für 311 Bewohner hat nicht etwa der maurische Baustil Einzug gehalten, wie ihn Orienturlauber aus ihren Touristenhotels kennen. Mit den Accessoires aus Tausendundeiner Nacht ist Hausleiter Wolfgang Hilleprandt bewusst sparsam umgegangen. Schlicht präsentiert sich der neu geschaffene Gebetsraum, der blaue Vorhang formt dort eine nach Mekka ausgerichtete Ellipse. Neben dem Vorraum ist ein kleiner, aber rollstuhlgerechter Raum für die rituellen Waschungen eingerichtet worden.

Für Münchenstift-Chef Siegfried Benker, der sich früher als Stadtratsfraktionschef der Grünen für die interkulturelle Öffnung der Altenpflege stark gemacht hatte, ist es ein Freudentag: Ausgerechnet am bundesweiten "Tag der Vielfalt" kann die gemeinnützige Münchenstift-GmbH als erster Altenheimträger in München einen speziell auf die Bedürfnisse von Muslimen abgestimmten Wohnbereich eröffnen. Wobei für ihn das nicht heißt, dass die Muslime dort separat wohnen, sondern "integriert", wie er deutlich macht: "Wir wollen keine abgeschottete Sondersituation schaffen."

Von vielen der neuen Angebote profitieren ohnehin nicht nur Muslime unter den Bewohnern. So sind nun mehr als 100 TV-Programme zu empfangen, darunter die Hälfte in anderen Sprachen als Deutsch. Ein gemütlicher Teeraum ist entstanden, in dem ein Samowar und eine Shisha (Wasserpfeife) stehen. Auch beim Essen gibt es Neues zu entdecken: Der Küchenchef bietet nun Halal-Kost an, die im Einklang mit den Speisevorschriften des Islam hergestellt ist. Eigens dazu ist die Küche umgebaut worden. Dort bereiteten die Mitarbeiter für die Eröffnungsgäste nun marokkanischen Brotsalat zu, geschmorte Lammhüfte auf Linsencurry oder Falafel auf Tahine-Soße mit arabischem Salat. Beim Empfang zuvor gab es nicht nur Wasser und Apfelschorle, sondern auch Ayran und türkischen Tee.

Noch hält sich die Nachfrage allerdings in Grenzen. Nach den letzten vorliegenden Zahlen von Ende 2013 hatten nur 4,5 Prozent der rund 6900 Bewohner in den 56 Münchner Pflegeheimen einen Migrationshintergrund. Nur in sechs Häusern lag der Anteil der Bewohner mit Migrationshintergrund bei mehr als zehn Prozent. Im Hans-Sieber-Haus sind es derzeit sogar zwölf Prozent der 311 Bewohner. Aber nur zwei von ihnen sind Muslime. Von den 215 Beschäftigten im Hans-Sieber-Haus haben dagegen 60 Prozent einen Migrationshintergrund, sie kommen aus 32 Nationen und erhielten nun Schulungen zur kultursensiblen Pflege.

Mit dem neuen Münchenstift-Angebot "reagieren wir darauf, dass die sogenannte Gastarbeitergeneration in ein pflegebedürftiges Alter gekommen ist", betonte Benker. "Auch wenn viele muslimische Familien noch hoffen, die Pflege ihrer Senioren im Familienverbund zu schaffen, wird immer deutlicher, dass dies viele nicht mehr schaffen können." Im Hans-Sieber-Haus soll sich niemand fremd vorkommen. Nur aufmerksame Besucher entdecken im Eingangsbereich, was Benker "dezente Hinweise mit Wiedererkennungswert für Muslime" nennt, wie etwa den orientalisch anmutenden Spiegel an der Wand. Oder die neuerdings ausliegende internationale Presse. Vom Ruf des Muezzin zum Gebet wird dort aber auch künftig öffentlich nichts zu hören sein. Der kommt per Handy-App.

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Quelle:
SZ vom 10.06.2015
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