Süddeutsche Zeitung

Peter Gelb:Die Met zieht um nach Augsburg

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Warum der Intendant der New Yorker Oper seine diesjährige Silvestergala live aus dem Parktheater in Bayerisch-Schwaben streamen lässt

Interview von Susanne Hermanski, Augsburg

Die Metropolitan Opera steht - derzeit unerreichbar - in New York. Doch die Pandemie, die vieles verhindert, macht anderes möglich: eine Met-Silvestergala in Bayerisch-Schwaben, genauer im Parktheater des Gögginger Kurhauses zu Augsburg. In der extravaganten Glas- und Gusseisenkonstruktion aus der Gründerzeit werden vier Stars der Metropolitan Opera deren fabulöse "New Year's Eve Gala" singen. Arien, Duette und Ensembles von Donizetti bis Puccini und neapolitanische Lieder stehen dort auf dem Programm, interpretiert von Angel Blue (Sopran), Javier Camarena (Tenor), Matthew Polenzani (Tenor) und Pretty Yende (Sopran). Freilich unter Ausschluss physisch anwesenden Publikums, aber live gestreamt - um 22 Uhr Mitteleuropäischer Zeit. Met-Intendant Peter Gelb hat die Sache eingefädelt. Die SZ sprach mit dem bekannten Frühaufsteher in seinem Home-Office per Videotelefonat.

SZ: Wie kommen Sie auf Augsburg?

Peter Gelb: Das Konzert ist Teil der Met-Stars-Live-in-Concert-Serie, die dazu dient, unseren Fans und Unterstützern in aller Welt etwas zu bieten, solange die Met geschlossen haben muss. Das ist schon seit März der Fall. Bisher haben wir die Reihe eher aus alten Kirchen oder Abteien gestreamt, wie im Sommer etwa einen Abend mit Jonas Kaufmann aus dem Kloster Polling. Das Parktheater Augsburg ist als echter Theaterraum da nun eher die Ausnahme.

Kennen Sie das Gebäude?

Ich habe es noch nie betreten. Aber es sieht wie ein Wunderwerk aus Glas aus. Wir werden den Raum mit Strahlern durch die Scheiben von außen farbig beleuchten. Wir haben alle Stühle im Publikumsraum ausgebaut und dort eine Bühne installiert, die eigentliche werden wir nicht benutzen. Stattdessen wird der Raum des Theaters selbst zur Kulisse werden. Wir drehen mit sechs Kameras, wie bei einem Videoshooting, nur live. Bei der ganzen Pracht gilt es natürlich drauf zu achten, dass das Ganze nicht zum Kitschfestival wird. (lacht)

Klingt nicht ungefährlich ...

Die Regie führt hier von New York aus Gary Halvorson, der beste Regisseur von Live-Shows, den ich kenne, ein Hollywood-Mann. Er bekommt die Bilder per Satellit in den Kontrollraum gespielt. Die Produktion läuft über Fred Kogels Münchner Firma Leonine, mit der wir oft gearbeitet haben.

Kommt es bei so einer Übertragung zwischen Kontinenten nicht zu großen Zeitverzögerung en am Regiepult?

Anderthalb Sekunden. Gary rechnet die mit ein, probt aus der Ferne mit dem Team schon seit Tagen. Wir haben in New York zudem eine Moderatorin, die mich am Abend gelegentlich mit einbeziehen wird.

Die Star s wohnen aber auch nicht gerade im Augsburger Umland, oder?

Das ist richtig, Javier Camarena ist Mexikaner, aber aus der Schweiz angereist, wo er lebt. Und Pretty Yende, die aus Südafrika stammt, hatte zuvor gerade einen Auftritt in Barcelona. Also in Spanien, dem einzigen Land der Welt, in dem die Opernhäuser gerade geöffnet sind, so weit ich weiß. Die Musiker, ein Quintett, kommen aus Wien. Matthew Polenzani und Angel Blue sind aus den USA eingeflogen. Aber hier in New York wäre der Abend wegen der herrschenden Pandemieauflagen schlicht nicht möglich. In Augsburg schon, wir stimmen uns dafür eng mit den deutschen Behörden ab. Es wird ständig getestet.

Und mit welchen Klängen feiert man den Übergang dieses 2020 ins nächste Jahr?

Camarena singt zum Auftakt die Arie "A mes amis" von Donizetti. Die enthält neun Hohe Cs - ich wollte unbedingt, dass dieser Abend richtig strahlend beginnt. Danach wechseln sich lyrische mit dramatischen Tönen ab, gegen Ende gibt es Populäres aus Operette und Musical.

Die Abende kosten 17 Euro . Wie gut wird die Reihe vom Publikum angenommen?

Wir haben seit März rund 17 Millionen Zuschauer gezählt. Natürlich kam mancher mehrfach, und wir haben durch die vielen Jahre der Met Opera Streams ein großes Stammpublikum weltweit.

Wie steht es um die Finanzen der Met?

Wir sehen uns vor großen Herausforderungen hier in New York. Die Kulturbranche und die Gastronomie waren die ersten Bereiche, die geschlossen wurden. Sie werden die Letzten sein, die wieder öffnen können. Ich gehe davon aus, dass es trotz der Impfstoffe noch Jahre dauert, bis unsere Einnahmen wieder Vorjahresniveau erreichen. Aber das sehen nicht alle so. Die Gewerkschaften der Orchestermusiker wollen es immer noch nicht wahrhaben.

Ihr Streit mit den Gewerkschaften reicht schon viel länger zurück ...

Der hängt mir wie Blei am Hals, seit ich die Met vor 15 Jahren übernommen habe. Jetzt werfen sie mir vor, ich würde die Lage missbrauchen. Wir versuchen gerade einen Kompromiss zu finden, wie wir den Musikern mithilfe von Spendern bis Sommer einen Teil ihres Gehalts zahlen können, obwohl die Saison komplett abgesagt ist. Und anders als die Münchner Oper ist die Met ja ganz ohne Staatsgeld finanziert. Im Gegenzug hätten wir gern ein Entgegenkommen bei künftigen Gehaltsverhandlungen. Aber das wollen die Gewerkschaften nicht.

Wie sollen Sie aus deren Sicht sparen?

Weniger Produktionen, weniger Stars von Weltruhm und entsprechenden Gagen, weniger Topregisseure. Aber an diesen künstlerischen Aspekten zu sparen, wäre für den Ruf der Met fatal, denke ich.

Die New York Times sagt, der Job des Met-Chefs sei ebenso ikonisch wie der des New York er Bürgermeisters. Da fällt einem Rudy Giuliani ein, der nach seiner Amtszeit etwa als Präsident kandidierte. Haben Sie politische Ambitionen?

Gar nicht! Ich bin jetzt 67 Jahre alt, und mein Vertrag mit der Met läuft bis 2028. Ich plane also nicht für eine Zeit danach. Aber Sie müssen sich das auch anders vorstellen als in Deutschland. Als Angela Merkel ein Abendessen in der deutschen Botschaft hatte, und ich dazu eingeladen worden war, bin ich erst einmal aus allen Wolken gefallen. Große Kulturinstitutionen haben hier noch lange keine Verbindung zur Politik. In Deutschland ist dagegen niemand erstaunt über einen Opernintendanten an so einem Tisch, das weiß ich wohl.

Met-Silvestergala - Met Stars Live in Concert, Do., 31. Dez., 22 Uhr, live auf der Website der Met, metopera.org, danach weitere 14 Tage verfügbar

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Quelle:
SZ vom 31.12.2020
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