Süddeutsche Zeitung

Prozess:Bewertungsportale: "Ein Arzt zum Rausrennen" ist zulässige Kritik

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Von Ekkehard Müller-Jentsch

Wenn ein Patient einen Arzt nicht gut findet und das in einem Bewertungsportal zum Ausdruck bringt, muss der Mediziner das hinnehmen. Das Amtsgericht München hat einem Doktor klar gemacht, dass er kein Recht darauf habe, einen negativen Text entfernen zu lassen. Die Richterin meinte, dass die Äußerung der Patientin auf der Internetseite keine schwer wiegende Auswirkung auf das Persönlichkeitsrecht des Hausarztes habe - daher überwiege in diesem Fall das Recht der Unzufriedenen auf Kommunikationsfreiheit.

Die Patientin hatte eine begründete Kritik auf dem Portal hinterlassen

Die Patientin hatte geschrieben: "Der eigentlich freundliche Arzt hat mir nur leider mehrere Gründe gegeben, nach der Behandlung ohne einen neuen Termin herauszurennen." Dazu fügte sie fünf Gründe an. Sofort schrieb der Arzt an das Portal, warum diese Kritik falsch sei. Die Onlineseite entfernte daraufhin die aufgeführten fünf Gründe, fügte aber an: " . . . alles in allem der absolut falsche Arzt - schade".

Der Doktor ging vor das Amtsgericht: Er wollte die seiner Meinung nach unzutreffende Tatsachenbehauptung gelöscht haben, da die Patientin die Praxis normal verlassen habe und nicht herausgerannt sei. "Die Bewertung ist unsachlich und kommt einer Schmähkritik gleich", meinte er. Das Portal knickte ein, löschte den Eintrag und zahlte dem Kläger sogar noch 413 Euro Anwaltskosten. Das war unnötig und voreilig, wie sich bald darauf herausstellte. Zumal der Streit nicht beendet war, weil um die Gerichtskosten weiter gezankt wurde.

Das Bewertungsportal stehe unter dem Schutz der Meinungsfreiheit

Diese Kosten in Höhe von 1130 Euro hat die Amtsrichterin nun dem Arzt aufgebrummt: "Er hatte keinen Anspruch darauf, dass die Veröffentlichung gelöscht wird." Die Formulierung "Herausrennen aus der Praxis" stelle "keine bloße Tatsachenbehauptung, sondern eine Meinungsäußerung dar", sagte die Richterin, "da die Patientin hierbei ihre Unzufriedenheit bezüglich der durchgeführten Arztbehandlung durch den Kläger zum Ausdruck bringt". Ein Bewertungsportal stehe unter dem Schutz der grundgesetzlichen Meinungsfreiheit. Die Pflicht zur Löschung von Einträgen würde dessen Tätigkeit in nicht unerheblicher Weise einschränken.

Der Arzt sei durch die Eintragung "nur in seiner beruflichen Sozialsphäre berührt", heißt es in der Entscheidung. In diesem Bereich müsse man sich auf Kritik einstellen. Die Grenze zog das Gericht bei Stigmatisierung, sozialer Ausgrenzung oder wenn jemand an den Pranger gestellt werde. Der Beschluss ist rechtskräftig.

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Quelle:
SZ vom 14.12.2015
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