Süddeutsche Zeitung

Pasing:Der Dom der stolzen Bürger

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Die Pasinger Pfarrkirche Maria Schutz feiert ihr einhundertjähriges Bestehen. Erbaut nach den Entwürfen des Architekten Hans Schurr, wurde die neuromanische Basilika am 28. Juli 1918 im Beisein Ludwigs III. eingeweiht

Von Julian Raff, Pasing

"Dom zu Pasing" nennen manche Alteingesessenen ihre Pfarrkirche Maria Schutz mit wohldosierter Ironie. Tatsächlich setzt der stattliche, neoromanische Bau am Schererplatz mit seinem 56 Meter hohen Turm einen Akzent des Selbstbewusstseins in Münchens eigenständigstem Stadtteil, auch, wenn sich hundert Jahre Kirchengeschichte in einer 1255-jährigen Ortshistorie bescheiden ausnehmen. Ein stolzes Jubiläum können die Pasinger Katholiken und alle ihre Mitbürger auf jeden Fall feiern. Die Gemeinde hat ein zehntägiges Festprogramm auf die Beine gestellt, das diesen Abend beginnt. Nicht mehr ganz geklappt hat es mit der neuen Orgel, die erst 2020 als nachträgliches Geburtstagsgeschenk kommt.

Mit dem Bahnanschluss war Pasing bereits während der Industrialisierung im 19. Jahrhundert auf Stadtgröße angewachsen, bewohnt von Arbeitern und wohlhabenden Bürgern. Schon lange vor der Stadterhebung im Jahr 1905 war die alte, an der Würm gelegene Kirche Mariä Geburt zu klein geworden. Pfarrer Engelbert Wörnzhofer gründete daher am 8. Januar 1899 einen Kirchenbauverein und gewann den Prinzen Ludwig von Bayern als Schirmherren. Ehe dieser als Ludwig III. den Bau mit einweihen konnte, galt es, an die Großzügigkeit der Pasinger zu appellieren. Unter den Großspendern finden sich viele Namen, die heute im Straßennetz verewigt sind, wie Ebenböck, Saumweber oder Weinberger. Mit der Planung ihrer "Bürgerkirche" beauftragten die Pasinger den renommierten Kirchenbaumeister Hans Schurr, der kurz zuvor mit der Josephskirche in der Maxvorstadt sein bekanntestes Münchner Werk vollendet hatte und in ganz Bayern knapp 30 Kirchenbauten hinterließ. Schurrs Entwurf einer dreischiffigen, neuromanischen Basilika konnte bereits anderthalb Jahre nach der Grundsteinlegung im November 1906 im Rohbau umgesetzt werden und wurde mit der Segnung am 7. März 1909 für die Gottesdienste geöffnet. Bedingt durch Geldmangel und Krieg erfolgte die Weihe dann erst am 28. Juli 1918 durch den damaligen Erzbischof und späteren Kardinal Michael Faulhaber und im Beisein Ludwigs III. Der Patrona Bavariae konnte die Kirche erst gewidmet werden, nachdem Papst Benedikt XV. zwei Jahre zuvor diese besondere Beziehung zwischen Bayern und der Muttergottes auf Ludwigs Bitte hin offiziell anerkannt hatte. Der Weiheakt und die Schutzpatronin sind in einem eigenwilligen Bildprogramm verewigt, das 1955 entstand, nachdem die Kirche samt ursprünglicher Ausstattung 1943 durch einen Bombentreffer fast zerstört worden war.

Von Kriegserlebnissen traumatisiert, schuf der Künstler Michael Weingartner Figuren, die ihre kantige, expressive Strenge auch nach späterer Überarbeitung beibehielten. Mancher Gläubige habe damit "große Probleme", räumt Pfarrer Thomas Dallos ein, der den Kirchenraum am liebsten in schlichtem Weiß wirken ließe, wenn die Entscheidung heute anstünde.

Jenseits aller Ästhetikfragen betont Dallos den Status Pasings als ebenso stolze wie sozial bewusste Kirchengemeinde. Die Tradition der früheren Arbeiterstadt lebe heute etwa in einer starken Kolpingfamilie fort, zeige sich aber auch in frühen Errungenschaften: Im heutigen Pfarrheim entstand 1931 das erste Jugendheim der Erzdiözese. Eine Premiere war auch die 1910 gegründete Pfarrbücherei. Ins 19. Jahrhundert zurück reicht in Pasing die Tradition der kirchlichen Krankenpflege. Die aktuelle Herausforderung sieht Dallos vor allem in der Integration junger Katholiken mit Migrationshintergrund. Etwa jedes dritte Kommunionkind stammt aus einer fremdsprachigen Gemeinde.

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Quelle:
SZ vom 13.07.2018
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