Süddeutsche Zeitung

Kritik:Der Zauberer

Jörg Widmann mit viel Mendelssohn beim Münchener Kammerorchester.

Von Harald Eggebrecht

Ins Zeichen Felix Mendelssohn Bartholdys hat Jörg Widmann, weltweit gefeierter Klarinettist und Komponist, diesen Abend beim Münchener Kammerorchester im Prinzregententheater gerückt. Und auch die eigene Virtuosität und Kreativität ausgestellt und zu Recht feiern lassen. Denn Jörg Widmanns Musizierkraft, sein ansteckender Enthusiasmus, seine charismatischen Übertragungs- und Überzeugungsfähigkeiten auf Orchester wie Zuhörer verlebendigen Musik unmittelbar.

Es beginnt mit einer wunderbar intimen Klarinettenmelodie, die der 15-jährige Mendelssohn fürs Andante seiner Klarinettensonate erfand. Widmann hat nun die Klavierstimme dieses Satzes für Streichorchester, Harfe und Celesta bearbeitet. Das verfremdet das Stück auf zauberische Weise mit hohen Flageolets der Sologeige und anderen raffinierten Klangfarbmischungen. Als "Lied ohne Worte" versteht Widmann den Satz und lässt seine Klarinette ausdrucksvoll singen, während das Ensemble sich gleichsam um ihn schart, gleichsam besänftigt wie einst die wilden Tiere durch Orpheus' Gesang.

Danach brilliert die Konzertmeisterin Yuki Kasai mit Widmanns so witziger wie paganinihaft halsbrecherischer Violin-Paraphrase über Mendelssohns "Hochzeitsmarsch" aus seiner "Sommernachtstraum"-Musik. Seine zehn "Freien Stücke" dirigiert Widmann mit kontrollierter Emphase von den feinen Pianissimo-Unterschieden bis zu Geräuschgewittern und grellen Eruptionen.

Nach der Pause spielt er seine längst zum Klassiker gewordene Klarinettenfantasie von 1993 so elegant wie souverän. Zuletzt setzt sich Widmann mit Herz, Fantasie und ganzem Körper für Mendelssohns erste Symphonie ein, die der 15-Jährige für die Besetzung einer Beethoven-Symphonie schrieb. Ein dramatisches, überraschendes Stück mit heftigen Attacken, rhythmischen Verschiebungen und harmonischen Plötzlichkeiten. Es ging feurig und emphatisch zu, auch wenn etwas genauer ausgehörte und organisierte Klangregie die Originalität dieser Musik noch stärker verdeutlicht hätte. Ovationen.

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