Süddeutsche Zeitung

Werkswohnungen in München:Quote mit Haken

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Von Dominik Hutter und Inga Rahmsdorf, München

Ein Oberbürgermeister droht mit der Peitsche: Er denke über eine Quote für Werkswohnungen nach, hatte Dieter Reiter (SPD) vor zwei Wochen verkündet. Damit sich die Firmen beim Wohnungsbau nicht länger aus der Verantwortung stehlen können, sollen entsprechende Kontingente in Bebauungsplänen festgeschrieben werden. Die Sache hat jedoch einen Haken: Die Firmen müssen auch wollen. Und das tun sie nicht, von Ausnahmen abgesehen. Damit droht das Reiter-Konzept zur Nullnummer zu werden, im ungünstigsten Fall könnte es sogar die Bebauung von Flächen verzögern. Denn zwingen kann die Stadt die Firmen nicht, der für Mitarbeiterwohnungen reservierte Platz bliebe dann wohl einfach leer.

Auch im städtischen Planungsreferat herrscht Skepsis über die Erfolgsaussichten einer Quote. Zwar begrüße man die Idee. Es müssten jedoch erst einmal Firmen gefunden werden, "die dieses Modell mitmachen", sagt Martin Klamt, der Sprecher von Stadtbaurätin Elisabeth Merk. Es handle sich um ein "punktuelles Instrument für dieses sehr spezielle Segment", ein wirklich nennenswerter Beitrag zur Linderung der Wohnungsnot sei zumindest aus heutiger Sicht nicht zu erwarten. Ohnehin seien Bebauungspläne "auch ungeachtet etwaiger rechtlicher Hürden wohl nicht das richtige Instrument", so Klamt. Eine flächendeckende Werkswohnungs-Quote, vergleichbar der bereits bestehenden Quote für Genossenschaften, sei "schwierig". Letztlich könne nur im Einzelfall entschieden werden, an welchen Adressen Werkswohnungen sinnvoll sind.

Die Unternehmen müssen Werkswohnungen wollen

Reiter hatte die Quote beim ersten Spatenstich für 17 neue Mitarbeiterwohnungen der Stadtwerke in Haidhausen gefordert. Das kommunale Unternehmen will bis 2022 etwa 500 neue Werkswohnungen bauen. Ein löbliches Unterfangen, wie Reiter findet. Doch das Problem ist: Die Stadt kann immer nur dann Sonderwünsche äußern, wenn sie einen neuen Bebauungsplan erarbeitet, neues Baurecht schaffen soll oder eigene Grundstücke auf den Markt wirft. Bauherren müssen in diesem Fall in Kauf nehmen, Geld für Infrastruktureinrichtungen abzugeben oder einen bestimmten Anteil geförderter Wohnungen zu errichten. Bei einer Werkswohnungs-Quote wären sie aber auf die Kooperation mit Dritten angewiesen. Doch die haben offenbar kein Interesse.

Natürlich befürworte man, dass neue Flächen für Wohnraum ausgeschrieben werden, nur: "Der Bau von Wohnungen gehört nicht zu unserer Kernaufgabe", das ist die einhellige Reaktion bei Siemens, der Allianz, Munich Re und BMW. Viele Firmen hatten einst Mitarbeiterwohnungen, haben sie aber verkauft. Man gehe nun andere Wege, sagt Siemens-Sprecher Karlheinz Groebmair. Der Konzern hat sich bei 4400 seiner ehemaligen Wohnungen Belegungsrechte gesichert. Das heißt, Mitarbeiter haben dort zwar Vorrang, aber es gelten auch für sie die üblichen Immobilienpreise.

BMW besitzt noch 35 Wohnungen in München - bei 39 000 Mitarbeitern. Der Bau weiterer sei nicht geplant, so Sprecher Jochen Frey. Der Autohersteller setzt stattdessen auf Boardinghäuser, in denen er 800 Apartments für temporäre Aufenthalte anbietet, vor allem für Azubis und Mitarbeiter aus dem Ausland, die nach München kommen. Die Allianz kauft zwar Immobilien, aber nur als Investitionsobjekte, vor allem für Büros und Shoppingcenter. "Viele Firmen investieren in Immobilien, weil die Rendite interessant ist", sagt Claudia Schlebach von der Industrie- und Handelskammer (IHK). Es gebe aber auch schon Branchen, wo Mitarbeiterwohnungen ein Muss sind, bei Hotelangestellten und Krankenhaus- und Pflegepersonal. "Und der Druck wird sich weiter verschärfen."

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SZ vom 29.05.2015
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