Neue Heimat:Wenn ausgelassene Party-Nächte gefährlich werden
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In ihrer Heimat Uganda ist unsere Kolumnistin nie allein ausgegangen - in München schon. Und ist überrascht, als sie in einer brenzligen Situation Hilfe von Fremden bekommt.
Kolumne von Lillian Ikulumet
Je näher das Jahresende rückt, desto mehr steigt der Drang der Münchner, sich mit Freunden zum Feiern in den Clubs der Stadt zu treffen. Der Abend in der Partyszene beginnt idealerweise mit einer Dosis gesundem Menschenverstand. Je länger die Nacht dauert, desto mehr neigt leider der Alkohol dazu, den Verstand wegzufegen. Es ist deshalb ratsam, als Frau in Begleitung auszugehen. Zumindest galt diese Prämisse stets in Uganda.
In der Großstadt München ist es hingegen ganz normal, dass man alleine ausgeht, auch als Frau. Viele Singles schwören hier darauf, sie wollen ihre Freiheit in der Münchner Nacht ausleben. Ich bin das weniger gewohnt und nehme - wenn es irgendwie geht - jemanden mit. Neulich ist es mir aber passiert, dass mich alle relativ spontan haben sitzen lassen. Und so stellte sich mir eine dieser Fragen: Soll ich die Einladung eines Fremden annehmen? Auf einen Drink und eine Unterhaltung, die nett werden könnte, zäh, oder aber - wenn es ganz dumm läuft - ein Fiasko.
Weil meine Freunde nicht aufgetaucht waren, bin ich also ganz allein im Club gewesen. Da ich aber nun schon mal da war, Eintritt bezahlt hatte, beschloss ich zu bleiben. Und tatsächlich: Ich hatte viele Gespräche mit Fremden, an der Bar, auf der Tanzfläche, mit Männern und mit Frauen, es waren keine tiefsinnigen, aber angenehme Kontakte. Nach ein paar Stunden machte ich mich dann auf den Heimweg. Vergnügt ob des gelungene Experiments verließ ich den Club, und merkte erst gar nicht, dass ich verfolgt wurde.
Plötzlich tauchte ein betrunkener Typ hinter mir auf und versuchte mich zu packen. Ich bat ihn, weg zu bleiben, da wurde er aggressiv. Zum Glück sah das Sicherheitspersonal den Vorfall und kam mir zu Hilfe. Sie behielten ihn nun im Auge, baten mich bei ihnen zu warten und bestellten mir ein Taxi. Der Security-Mitarbeiter brachte mich sogar noch persönlich an die Autotür. Selten habe ich mich so sicher gefühlt, wie in diesem Moment in der Münchner Nacht.
Gott sei Dank, dachte ich. Wäre das Uganda gewesen, wäre diese Geschichte ziemlich sicher anders ausgegangen. Im Taxi kam eine Szene aus meiner früheren Heimat wieder hoch. Dort wurde ich vor vielen Jahren nach einer Party von zwei Männern überrascht, die plötzlich aus einer dunklen Ecke kamen.
Frauen feiern nicht allein in der Nacht
Ich erinnere mich, wie ich meine High Heels wegwarf und wie eine Verrückte losrannte. Gleichzeitig schrie ich, um Passanten aufmerksam zu machen. Doch niemand half. Nur durch Glück schaffte ich es zurück in den Club; dort wartete ich bis zum Sonnenaufgang, ehe ich mich wieder raustraute. In dieser Nacht bin ich einem jener Horrorangriffe entkommen, die viele Frauen in Uganda häufig nicht überleben.
In Uganda hat es sich selten so angefühlt, wie in diesem Moment vor dem Club. Denn selbst der Taxifahrer, der dich nach Hause fährt, könnte dein nächster Angreifer, Räuber oder Vergewaltiger sein. Und wenn es zum Übergriff kommt, dann schauen die Leute oft nur zu, als wäre es ganz normal.
Der Grund ist, dass Late-Night-Partys für Frauen in Uganda als unmoralisch gelten. Besonders in einem Gewand, das den Blick auf nackte Haut zulässt. Wenn eine Frau in aufreizender Kleidung Probleme bekommt, würden ihr die meisten ugandischen Securitys nicht helfen, sie würden sie auslachen.
Viele Eltern verbieten ihren Töchtern deshalb solche Nächte. Aber egal, wie oft sie dich vor den Wochenend-Partys gewarnt haben, man will sich die Freiheit nicht nehmen lassen - zumindest nicht deswegen, weil man eine Frau ist.