Süddeutsche Zeitung

Neue Heimat:Viele Bayern gehen unwürdig mit Oma und Opa um

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Unserer Autorin aus Uganda kommt es manchmal so vor, als werden Senioren wie Abfallprodukte aus ihrem Zuhause vertrieben.

Kolumne von Lillian Ikulumet

Kinder sind ein Geschenk Gottes, die meisten Eltern sind auf ihre Kinder stolz und umsorgen sie wie kleine Könige. Im Alter leben hingegen viele Menschen in Bayern in Einsamkeit. Viele werden dann von jenen, die sie einst aufgezogen haben, verlassen und gemieden. Selbst Menschen, die mit mehreren Kindern gesegnet sind, werden im Alter vernachlässigt. Ein bitterer Lohn für all die Jahre der Erziehung.

Die überfüllten Altenheime in vielen Teilen Bayerns erzählen eine traurige Geschichte. Davon, wie viele Familien ihre Ältesten ausrangieren. Solange Eltern vor Energie sprudeln und aktiv sind, lässt man sie am Familienleben teilhaben: Babysitten, Kochen, Hausaufgaben-Betreuung. Wenn sich das Greisenalter aber bemerkbar macht, stellt sich dieser Zustand auf den Kopf. Teilweise kommt es mir so vor, als werden manche wie Abfallprodukte aus ihrem Zuhause vertrieben. Es ist unwürdig, doch es passiert überall in Bayern.

Viele Münchner nehmen sich keine Zeit für Ihre Omis und Opis. Manchmal habe ich das Gefühl, dass sich die jungen Menschen hier kaum mit dem Alter auseinandersetzen, dass sie kaum darüber nachdenken, dass es auch sie selbst einmal treffen wird. Viele Münchner sind mit 30 oder 40 immer noch Singles, und feiern sich dafür.

Und wenn sie doch einmal eine Familie gründen, kriegen sie meist nicht mehr als zwei Kinder. Aus Uganda kenne ich das anders, dort wird eine große Familie geschätzt, als wertvoll und erstrebenswert angesehen. Je mehr Kinder man hat, desto besser ist man für das Alter gerüstet, sagt man in meiner früheren Heimat. Es steigert die Chancen, dass sich jemand um einen kümmert.

Egal, ob man in Uganda oder in Bayern lebt: Ich bin mir sicher, dass viele alternde Eltern gerne von der Wärme der Familie umgeben sind, statt in einem Altenheim auf den Tod zu warten. Es ist nicht so, dass sich die Pfleger dort nicht bemühen. Wenn man hört, unter welchen Bedingungen die Betreuer hier arbeiten, wird aber deutlich, dass sie nie eine Familie ersetzen können. Klar, manche besuchen ihre Väter, Mütter und Großeltern regelmäßig, machen mit ihnen Ausflüge. Manchmal geht es aber nur noch ums Erbe.

Wahrscheinlich ist das Altenheim in diesem Teil der Welt manchmal auch die einzige Lösung. In Uganda gibt es die Option gar nicht, es existieren praktisch keine Altenheime. Die Familie kümmert sich um einen, und wer aus irgendeinem Grund keine Familie hat, der wird von Freunden mitbetreut. Vielleicht habe ich vor diesem Hintergrund einen etwas drastischen Blick, verstärkt vielleicht dadurch, dass meine Eltern bereits von mir gegangen sind und ich sie vermisse. Es fühlt sich schlicht unvorstellbar an, Mutti und Papi einfach so hinter einer fremden Tür zu verstauen.

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Quelle:
SZ vom 19.01.2018
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