Süddeutsche Zeitung

Flüchtlinge:Frauen in sexy Outfits? Schwierig in Uganda

Lesezeit: 2 min

Wer dort die Kleiderordnung missachtet, läuft Gefahr, vergewaltigt zu werden, schreibt Journalistin Lillian Ikulumet. Sie ist aus ihrer Heimat geflohen und berichtet für die SZ über ihr neues Leben in Deutschland.

Kolumne von Lillian Ikulumet

Was macht eine Frau schön? Ist es der Ton der Hautfarbe, ist es ihre Figur, ihr Lächeln, oder ist es die Art, wie sie sich kleidet? Bayerische Männer finden scheinbar vor allem Frauen attraktiv, die besonders enge Outfits tragen. Zumindest gilt das für jene Männer, die dann Begriffe wie "fesch", "sexy" und "geil" rufen oder gar pfeifen.

Im Münchner Kunstpark könnte man in diesen Tagen meinen, draußen hätte es 35 Grad, so wenig Stoff tragen die Frauen dort, wenn sie ausgehen. In meiner früheren Heimat Uganda würde man mit so wenig Kleidung mit großer Wahrscheinlichkeit von einem Freier ins Auto gezerrt werden, selbst in Partyzonen wird dort erwartet, dass Frauen sich bedecken. Wenn ugandische Frauen vergewaltigt werden, dann schieben es die Täter meist darauf, dass die Kleiderordnung missachtet worden sei. Vor ugandischen Gerichten wird das Opfer einer Vergewaltigung schnell zur Täterin. Und deswegen geht es in Afrika bei der Kleiderfrage meistens nicht um Schönheit, sondern um etwas ganz anderes.

Wo ich herkomme, tragen Frauen ihre Kleidung nicht, um sich darin wohlzufühlen oder etwas darzustellen, sondern zum Schutz. In der Hauptstadt Kampala hätte körperbetonte Kleidung einen Spießroutenlauf zur Folge. Klar, auch in München ist man nicht gefeit - je weniger eine Frau anhat, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, sexistische Bemerkungen zu hören.

Man könnte meinen, für Flüchtlinge wie mich sei der liberale deutsche Umgang mit Kleidung wie eine Befreiung von Fesseln. Tatsächlich ist es eine große Herausforderung: Der Mensch gewöhnt sich an die Hülle seiner Kultur, diese zu ersetzen ist nicht so einfach. Während einige wenige meiner afrikanischen Freundinnen sich beim Kleidungsstil angepasst haben, halten die meisten von ihnen an den alten Regeln ihrer Herkunftsländer fest.

Manche haben schlimme Erfahrungen gemacht, für sie ist das Verschleiern, das Verstecken hinter Stoff noch immer die Form, in der sie sich am wohlsten fühlen. Auch mir wurde weh getan, auch ich brauchte Zeit, ehe ich mich an den freizügigen Stil der Deutschen gewöhnt habe. Es hilft, das im Hinterkopf zu haben, wenn man geneigt ist, über eine Burkaträgerin zu schimpfen.

Klar ist: Deutsche mögen es eher eng, in Afrika kleiden sich Frauen weit. Der Unterschied ist, dass deutsche Frauen bei der Outfit-Wahl selbst entscheiden. Das sieht man daran, dass sich viele Münchnerinnen nicht dem Slimfit-Trend unterordnen, sondern im Schlabberlook auf Partys gehen. In Uganda würde man damit dem Dresscode entsprechen - schade ist nur, dass niemand erkennen würde, dass es sich hierbei nicht um Anpassung handelt, sondern um das, worum es bei Kleidung geht: nicht um das Unterdrücken von Reizen, nicht um Schönheit, sondern um den Ausdruck von Persönlichkeit und Freiheit.

Übersetzung aus dem Englischen: Korbinian Eisenberger

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3225894
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 28.10.2016
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.