Süddeutsche Zeitung

Nach Einführung des Mindestlohns:Tierklinik muss Dumpinglöhne aufbessern

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Von Jakob Wetzel, München

Sie arbeiten wie Tierärzte, erhalten aber kaum Geld dafür. Doch das soll sich jetzt ändern. Im Streit über die prekären Arbeitsbedingungen von Doktoranden an der medizinischen Kleintierklinik der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) an der Veterinärstraße zeichnet sich eine Lösung ab: Wie die Universität am Donnerstag mitteilte, sollen die Bedingungen für Doktoranden "verbessert werden". Die Hochschulleitung und die tierärztliche Fakultät seien sich "im Lichte der neuen Mindestlohnregelungen einig", dass die klinische Arbeit der jungen Tierärzte zu vergüten sei. Bislang war das nicht der Fall. Am Mittwochvormittag waren Beamte des Hauptzollamts, das für Mindestlohn-Kontrollen zuständig ist, zu einer Prüfung in der Tierklinik angerückt.

In den kommenden Wochen will die tierärztliche Fakultät der LMU nun ein Konzept erarbeiten, wie die jungen Tierärzte künftig bezahlt werden sollen. Bis dahin hat die medizinische Kleintierklinik ihren Betrieb eingeschränkt. Aus dem Kreis der Mitarbeiter heißt es, dass Doktoranden von diesem Donnerstag an nur noch dann Tiere behandeln sollen, wenn das für ihre Promotion erforderlich ist; den Tierhaltern dürften die Leistungen nicht in Rechnung gestellt werden. Am Mittwochnachmittag seien demnach mehrere Sprechstunden-Termine abgesagt worden, und vorübergehend wolle die Klinik auch weniger Überweisungspatienten annehmen. Die Klinikleitung war am Donnerstag nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.

Unbezahlte Arbeit für die Promotion

Mit dem neuen Konzept reagiert die Universität auf Vorwürfe, die ein Doktorand im Februar erhoben hatte. Er hatte sich in einem anonymen Brief an Behörden, Gewerkschaften und Medien darüber beklagt, dass die medizinische Kleintierklinik ihre Doktoranden als Gegenleistung für die Promotion zu unbezahlter Arbeit zwinge. Ein großer Teil von ihnen erhalte trotz Schichtdienst und Notfall-Einsätzen lediglich zehn Euro im Monat - obwohl sämtliche Doktoranden bereits ausgebildete Tierärzte sind.

Der Klinikleitung zufolge würden sie aber nicht als Tierärzte arbeiten, sondern weiterhin ausgebildet. Daher müssten sie für ihre Tätigkeit nicht bezahlt werden. In dieser Logik beziehen sich die mit ihnen geschlossenen Arbeitsverträge nur auf Büro-Tätigkeiten, die neben der Ausbildung anfallen. So ergeben sich Monatslöhne in Höhe von wenigen Euro.

Wie der Dekan die Situation beschreibt

Diesem zentralen Argument widersprechen nun die Hochschulleitung und die Fakultät. Die klinische Arbeit der Doktoranden könne "nicht mehr weiter nur als Qualifizierung gewertet werden", sondern "auch allgemeiner als klinische Patientenversorgung", teilte die LMU am Donnerstag mit. Ähnlich hatte sich bereits Ende Februar der Dekan der tierärztlichen Fakultät, Joachim Braun, in einer internen Stellungnahme an die LMU-Leitung geäußert.

Der Dekan führte als Grund unter anderem die straffen Arbeitszeit- und Dienstplan-Regeln an der Klinik an. Zudem würden Doktoranden geldwerte Leistungen erbringen und dabei weitgehend selbständig arbeiten. Zwar würden sie dabei "im Hintergrund" stets von erfahrenen Tierärzten begleitet. Diese Situation aber entspreche exakt dem Tätigkeitsprofil von Anfangsassistenten in privaten tierärztlichen Praxen oder Kliniken - nur würden junge Tierärzte dort eben für ihre Arbeit bezahlt.

An der medizinischen Kleintierklinik der LMU arbeiten derzeit 53 Doktoranden; verglichen mit Kleintierkliniken anderer deutscher Universitäten ist diese Zahl relativ hoch. Brauns Stellungnahme zufolge haben 26 von ihnen, also beinahe jeder zweite, einen Zehn-Euro-Vertrag. 24 Doktoranden bekommen demnach zwischen 400 und 451 Euro im Monat, drei erhalten bis zu 850 Euro. Für welches Entgelt Doktoranden künftig an der medizinischen Kleintierklinik beschäftigt werden sollen, will die LMU in den kommenden Wochen klären. Die Rahmenbedingungen seien "nicht einfach", heißt es. Der Etat ist begrenzt; von welchem Geld die Doktoranden künftig bezahlt werden sollen, das werde derzeit ebenfalls geprüft.

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Quelle:
SZ vom 20.03.2015
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