Süddeutsche Zeitung

Orchesterkonzert:Mariä Verkündigung in schmerzlichen Tönen

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Die Komponistin Liza Lim huldigt in "Mary Transcendence after Trauma" der Muttergottes auf ganz besondere Weise. Die BR-Sinfoniker haben das Stück bei ihrem "Musica Viva" Konzert im Herkulessaal aufgeführt.

Von Reinhard J. Brembeck

Es gibt große Vergnügen, von denen Normalmenschen nicht einmal träumen würden. Komponist(inn)en bekommen schon bei dem Gedanken leuchtende Augen, dass die grandiosen Weltspitze-Sinfoniker des Bayerischen Rundfunks eines ihrer Werke spielen. Jetzt machten diese Musiker in ihrer "musica viva"-Reihe und zusammen mit dem Dirigenten Franck Ollu gleich drei Komponist(inn)en im Herkulessaal glücklich, genauso ein zahlreich erschienenes Publikum, das offenbar froh ist, nicht Brahms oder Beethoven hören zu dürfen.

Für das große, seit 100 Jahren in seiner Besetzung festgelegte Sinfonieorchester zu schreiben, bedeutet immer eine Anbindung an die Tradition, was an diesem Abend sinnvoll und inspirierend wirkt. Pascal Dusapin, einer der Stars der Szene, verneigt sich in seinem Orchesterkonzert "Morning in Long Island" vor Béla Bartók, ein vergnügtes Zirkuselefanten-Gehopse macht den Kehraus, das Publikum ist begeistert.

Liza Lim, auch sie ein Star der Szene, huldigt in "Mary Transcendence after Trauma" der Muttergottes und der von ihr erlittenen Verkündigung. Zumindest die strahlenden Akkorde sind Referenz an den großen katholischen Komponisten Olivier Messiaen. Liza Lim denkt ihr Vorbild individuell weiter, bietet Schlüssigkeit, Vielfalt und einen raffinieren Klangregen.

Schade, dass sich die "musica viva" nicht dazu durchgerungen hat, auch die beiden Rahmenstücke ihres "Verkündigungstriptchons" zu spielen, sie sind der Dichterin Sappho zugeignet und Fatimah, der Tochter des Propheten Mohammed.

Am radikalsten bricht Francesca Verunelli, noch lang nicht so bekannt und jünger als Dusapin und Lim, mit ihrem Vorbild Luciano Berio. Dessen vibrierende Klänge nutzt sie in "Accord, chord and tune" zu einer Schöpfungsgeschichte, ihr grandioser Solist Krassimir Sterev lässt sein Akkordeon sich via Klopfgeräusche und Zuckungen nach und nach strahlend dem Orchesterklang entwinden, es ist eine faszinierende Gestaltwerdung.

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