Süddeutsche Zeitung

SZenario:60 Männer in einem Raum, rauchend

Lesezeit: 2 min

Eine Ausstellung im Amerikahaus blickt auf sechs Jahrzehnte Sicherheitskonferenz in München zurück. Eine "Geschichtsstunde", sagt Christoph Heusgen, in der Putin nicht fehlen darf.

Von Stefanie Witterauf

Im Amerikahaus steht nun ein großer weißer Elefant. Er gehört zur Jubiläumsausstellung der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) und soll genau das aussagen, was er ist, nämlich ein Elefant im Raum. Diese Metapher, die ihren Ursprung im Russischen hat, wird heute vor allem im englischen Sprachraum verwendet. Sie beschreibt ein offensichtliches Problem, das jeder sieht, aber niemand anspricht.

Das selbstgesetzte Ziel der MSC ist, den Elefanten zum Mittelpunkt der Diskussion zu machen, um unbequeme Debatten zu starten und Lösungen zu finden. Der Begleittext zum Elefanten weist gleich auf mehrere Beispiele hin, etwa auf den Klimawandel, auf die Gefahr von globalen Pandemien und den Satz "Ich bin nicht überzeugt" von Joschka Fischer auf der MSC 2003, als Erwiderung auf Pentagon-Chef Donald Rumsfeld und den Irak-Kurs der USA.

Am Dienstagvormittag sind bei der feierlichen Eröffnung mit Sekt und Häppchen die Hälfte der Gäste in Uniform gekleidet, viele aus der Bundeswehr sind gekommen, angeführt von Brigadegeneral Thomas Hambach. Die andere Hälfte trägt Anzug, wie Ministerpräsident Markus Söder, der aktuelle und die zwei ehemalige Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz und Staatsminister Florian Herrmann. Nach Grußworten und Söders "Bayern ist toll"-Rede geht es in den dritten Stock.

Denn dort beginnt die Ausstellung. Ein Zeitstrahl mit Fotos, Texttafeln und Zeitungen leitet durch die vergangenen 60 Jahre. Er startet mit den 1960ern und der Kubakrise, dem Mauerbau, dem Kennedy-Attentat und dem Prager Frühling. Da steht: "Die Welt steht wenige Jahre nach dem 2. Weltkrieg wieder am Abgrund." Auf Initiative von Ewald-Heinrich von Kleist findet also das erste Zusammenkommen 1963 im Tagungsraum der Bayerischen Handelskammer statt. Damals hieß das Treffen noch "Internationale Wehrkunde-Begegnung", wurde "transatlantisches Familientreffen" genannt.

Horst Teltschik hat das einst am Schreibtisch zu Hause organisiert

"Die Bilder sind schon toll. Da sitzen 60 Männer zusammen in einem Raum - zum Teil rauchend", sagt der Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz, Botschafter Christoph Heusgen. "Es ist wie eine Geschichtsstunde." Teltschik hat die Münchner Sicherheitskonferenz, gerne SiKo abgekürzt, von 1999 bis 2008 geleitet, davor war er unter Helmut Kohl als Ministerialdirektor im Bundeskanzleramt tätig und gilt als Architekt der deutschen Einheit. "Am Anfang war das alles Ehrenamt", sagt er. "Ich habe von meinem Schreibtisch daheim gearbeitet. Es gab keine Büroräume, wir hatten kein Personal und am Ende habe ich alle, die geholfen haben, zu einem gemeinsamen Mittagessen eingeladen."

Wenn er jetzt mit seiner Frau durch die Ausstellung geht, die Fotos anschaut, die teilweise aus seinem persönlichen Archiv stammen, dann gibt es einen Moment, an den er sich genau erinnern kann. Das war 2007, als Wladimir Putin als Redner auf die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel folgte. Sie sprach noch vom Verbessern der Beziehungen zwischen der Nato und Russland, doch Putin hielt eine Brandrede und brach mit dem Westen. Aufgestanden sei damals niemand, sagt Teltschik. Er erinnert sich sogar an einen Politiker, der demonstrativ eine Zeitung während Putins Rede vor sich ausgebreitet hatte. "Da hätte man schon Fragen stellen müssen, da wurden Chancen vergeben."

Die Historie der Sicherheitskonferenz wird mit weltpolitischen Lagen und Geschehnissen verknüpft und eingeordnet. Dazu werden hellblaue und dunkelblaue Tafeln genutzt. Im Jahr 2002 ist das etwa ein Foto von Euromünzen, daneben steht "Auf Wiedersehen, D-Mark!". Darunter hängt ein Foto von einer Demo auf dem Marienplatz, trotz eines Demo-Verbots haben in der Innenstadt 6000 Menschen protestiert. Vergangenen Februar waren es rund 20 000 Menschen, die am Rande der MSC demonstriert haben. Angesprochen wurde der große Protest an der durchaus umstrittenen Konferenz nicht. Vielleicht gibt es im Amerikahaus eben nur Platz für einen Elefanten im Raum.

Montag bis Donnerstag 10-17 Uhr, Freitag 14-20 Uhr, Samstag 10-18 Uhr; an Sonn- und Feiertagen geschlossen, mit einer Ausnahme: Am Konferenzsonntag, 18. Februar, ist geöffnet. Der Eintritt ist frei. Ausstellungsdauer: 31. Januar bis 19. Februar.

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