Süddeutsche Zeitung

Münchner Rathaus:Wie ein Flüchtlingshasser Flüchtlingen hilft

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Ein rechtsradikaler Münchner Stadtrat schimpft auf Flüchtlingsinitiativen. Dank der Linken wird er nun zum Wohltäter - unfreiwillig.

Kolumne von Dominik Hutter

Nun engagiert sich also auch Karl Richter für Flüchtlinge. Der Stadtrat der rechtsradikalen Bürgerinitiative Ausländerstopp zeichnet an diesem Mittwoch für eine kleine, aber doch bemerkenswerte Spende an die Initiative Refugio verantwortlich. Denn die Uhr lief mit, als der einstige NPD-Funktionär im Großen Sitzungssaal des Münchner Rathauses seine Hasstiraden schwang, die Helfer am Hauptbahnhof der "Gehirnerweichung" bezichtigte und den Stadtrat als Logistik-Dienstleister für unerwünschte Massenzuwanderung schmähte.

Zuhören wollte dabei niemand so richtig, aber für Refugio war die Zeit trotzdem wertvoll. Denn als anschließend Brigitte Wolf, die langjährige Stadträtin der Linken, ans Mikrofon trat, verkündete sie, ab sofort Geld spenden zu wollen: Für jede Minute, die Richter gegen Flüchtlinge wettert, geht ein Euro an eine Initiative, die sich für eben diese Gruppe engagiert. Am Mittwoch war es Refugio.

Gut möglich, dass sich Richter so zum Wohltäter für Flüchtlinge entwickelt. Denn der Politiker, der seit Jahren vom Verfassungsschutz beobachtet wird, lässt kaum eine Gelegenheit aus, seine Abscheu gegen zuziehende Menschen fremder Herkunft zu verkünden. Auch am Mittwoch strebte er gleich mehrfach zum Rednerpult und mehrte so das Kapital, das für die Beratung und Versorgung von Flüchtlingen zur Verfügung steht.

Wunsiedel als Vorbild

Zugegeben: Ein Urheberrecht kann Stadträtin Wolf für ihre Aktion nicht beanspruchen. Bis zur Washington Post war vor einigen Monaten in den Zeitungen zu lesen, wie sich Nazi-Marschierer in Wunsiedel unfreiwillig sozial engagierten. Für jeden Meter, den sie durch die Stadt liefen, wurde ein Euro an ein Nazi-Aussteigerprogramm gespendet. Im Vergleich dazu glänzt Karl Richter durch Effizienz: Er kann ganz alleine schaffen, wofür in Wunsiedel 250 Neonazis erforderlich waren, und er muss nicht einmal durch die Gegend latschen.

Dass Richter nun durch Schweigen die eigene Wohltätigkeit sabotiert, ist nicht zu erwarten. Eher kann sich Wolf glücklich schätzen, dass die Stadtratsmehrheit die Hürden für Einzelkämpfer so hoch gehängt hat, dass der BIA-Politiker nicht auch noch in den Fachausschüssen auftritt. Sonst wäre wohl eine neue Spendenaktion nötig - für Brigitte Wolf.

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Quelle:
SZ vom 01.10.2015
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