Süddeutsche Zeitung

Münchner Momente:Überdacht die Stadt!

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Die CSU hat einen Antrag gestellt, der nach drei Tagen Regenwetter eine ganz besondere Brisanz bekommen hat: Parkbänke sollen überdacht werden

Von Inga Rahmsdorf

Der Mensch ist hin und her gerissen zwischen sich widerstreitenden Interessen. Da ruft die Natur verheißungsvoll, die Vögel zwitschern, die Knospen sprießen, der Park dampft. Doch, oh du Wildnis, schon ziehen dunkle Wolken heran, es wird nass und ungemütlich, und vorbei ist's mit dem himmlischen Frühlingserwachen. Schon strebt der Mensch hin unters schützende Dach - und harrt an diesem verregneten Mai-Wochenende drei Tage lang darauf, endlich wieder hinaus zu können in die blühende Landschaft. Es ist einfach zu blöd nur, dass alles immer einen Haken hat. Selbst der Frühling, selbst die Natur.

Das hat auch ein Münchner CSU-Stadtrat treffsicher erkannt und fordert nun: die Landeshauptstadt braucht überdachte Parkbänke. Dabei hat er auch gleich drei Gruppen ausgemacht, die von diesen Widrigkeiten besonders betroffen sind: Kinder, Jugendliche und Senioren haben das Bedürfnis nach frischer Luft und freiem Raum, sie möchten sich daher "bei jedem Wetter setzen beziehungsweise zu einem kommunikativen Austausch treffen", heißt es in dem Antrag. Man hätte es nach drei Tagen Regenwetter wirklich nicht treffender formulieren können. Ach, denkt sich das Münchner Kind, wenn ich doch nur ein Dach über dem Kopf hätte, während ich hier auf der Parkbank verweile. Und der Jugendliche kaut verdrossen auf seiner Zigarette herum, voller Sehnsucht nach einer witterungsunabhängigen Überdachung, während die Flamme seines Feuerzeugs immer wieder im Regen erlischt.

Und wirklich, der Vorschlag hat es in sich. Wer will schon Münchner Himmel sehen, wenn es auch trocken und ein bisschen gemütlicher geht, und trotzdem frische Luft in die Lunge fließt. Vielleicht sollte die Stadt auch nicht nur Parkbänke überdachen. Ist doch unangenehm so ein feuchter Hintern im Biergarten. Ganz zu schweigen von einem Regenschauer am Isarufer. Die Idee ließe sich dann auch gleich noch erweitern und die Münchner ganz grundlegender befreien von den Zwängen der Zivilisation: Reißt die Mauern ein, lasst nur die Dächer stehen! Ach, es wäre nicht nur eine Rückbesinnung auf die Natur, es würde auch das Leben wesentlich vereinfachen und Kosten sparen: Man stelle beispielsweise eine Bühne hin, Bänke davor, Dach drüber, fertig ist der Konzertsaal. Wer braucht da noch Mauern drumherum, besonders in der ungezügelten Natur des Olympiaparks.

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Quelle:
SZ vom 04.05.2015
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