Süddeutsche Zeitung

Münchner Momente:Schwer gezeichnet

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Ein Besuch beim Kreisverwaltungsreferat kann eine Herausforderung sein. Das sieht man auch dem neuen Pass an

Kolumne von Laura Kaufmann

Münchens hoher Freizeitfaktor wird regelmäßig gelobt. Das Kulturangebot, die Berge, die Seen - was man hier alles Schönes unternehmen kann! Aber zur Natur des Münchners gehört es auch zu granteln, die Mieten, der Feinstaub, die Baustellen. Eine Unternehmung, um die kein Münchner herum kommt, und die zum Granteln geradezu verleitet, ist ein Besuch des Kreisverwaltungsreferats. Wer setzt sich schon gern mit eng bedruckten Formularen auseinander? Die Gesichter der KVR-Besucher geben ungefragt Antwort: niemand, absolut niemand.

Glücklich immerhin, wer des Deutschen und Behördendeutschen mächtig ist und versteht, was er zu tun hat. Dieses Glück wird einem bewusst, als die Dame an der Terminvergabe mit einem Dokument vor den fragenden Augen eines Antragstellers wedelt und überdeutlich sagt: "Das muss ihr Vermieter ausfüllen! Nicht Sie!" Vergeblich zum KVR gelatscht. Willkommen im Bürokratie-Dschungel.

Ungleich einfacher ist es doch, neue Ausweisdokumente zu beantragen. Oder? Erst die richtige Wartezone ausmachen, was gar nicht mal so kompliziert ist, und sich dort dank des aparten Retrodesigns inklusive Baustellenatmosphäre zum Schreiben von apokalyptischen Endzeit-Spielfilm-Plots inspiriert fühlen. Die Laune ist da noch stabil. Die hängenden Mundwinkel, das sind die anderen. Die Konfrontation mit dem Passbildautomaten (letzter Versuch!) führt zur ersten Anpassung des Gesichtsausdrucks, und vor dem Schreibtisch der netten Beamtin dann das blamable Versagen: Die eigene Unterschrift, die besonders schwungvoll gelingen soll, fließt nicht mehr. Verschrieben bei der eigenen Unterschrift! Die Beamtin lacht und nennt es ein gängiges Problem, 16 Versuche seien der Rekord an ihrem Tisch. Hier braucht es drei. Heraus kommt Tage später ein Ausweisdokument mit seltsam verkritzeltem Nachnamen und einem Foto mit hängenden Mundwinkeln. Wenn das kein schöner Grund zum Granteln ist!

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Quelle:
SZ vom 19.02.2020
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