Süddeutsche Zeitung

Münchner Momente:Prio statt Porsche

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Die Impfung gegen Corona ist zum neuen Statussymbol der Münchner geworden - nur blöd, dass man die Errungenschaft nicht richtig herzeigen kann

Glosse von Stephan Handel

Prio ist der neue Porsche. Früher signalisierte in München ja ein schnelles Auto, eine nicht ganz billige Sonnenbrille oder eine immerwährende Reservierung im Hippodrom den sozialen Status des jeweiligen Besitzers. Weil aber wegen Ausgehverbot, Rumfahrverbot und Wiesnabsage niemand mehr so richtig öffentlichkeitswirksam zeigen kann, was er hat, müssen andere Distinktionsmerkmale her: Die Zugehörigkeit zu einer privilegierten Impfgruppe ist es, was nun die Patrizier von der Plebs unterscheidet.

Das war bei den ersten beiden Gruppen noch nicht so virulent, denn die Leute darin waren entweder schon sehr alt oder litten bedauerlicherweise an schweren Krankheiten. Seit vergangener Woche ist in München nun aber die Gruppe drei dran, das sind Menschen zwischen 60 und 70, aber auch Jüngere, wenn sie zum Beispiel bei der Polizei oder im Lebensmittelhandel arbeiten. Neben der - wahrscheinlich - sich einstellenden persönlichen Erleichterung nach dem Konsum der Messenger-RNA kann der ordnungsgemäß Immunisierte aber auch mit einer gewissen Überlegenheit auf die immer noch Gefährdeten mit ihren Maskenschnuten hinabblicken: Schaut mich an, ich bin geimpft, alles ok, Stirnvene tipptopp, nehmt das, ich bin ein Held, ihr Loser.

Das Problem dabei: Man sieht's ja von außen nicht, und ständig den Impfpass in einer Klarsichthülle um den Hals zu tragen, wäre ebenso unansehnlich wie albern. Könnte man nicht etwas erfinden so wie früher bei der Pocken-Impfung, die zwei schöne kreisrunde Narben am Oberarm hinterließ, als wären's Orden? Dann könnten alle aus der Prio 3 sich Muskelshirts zulegen und der Welt beziehungsweise der Maximilianstraße stolz ihre markierten Bizepse hinhalten. Das wäre eine angemessene Münchner Haltung zu den Zumutungen der Zeit - den Ungeimpften voller Verachtung zu verstehen geben: Eure Pandemie kotzt mich an.

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Quelle:
SZ vom 20.04.2021
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