Süddeutsche Zeitung

Münchner Momente:Oh Tannenbaum!

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Kann man Weihnachtsbäume überhaupt mit gutem Gewissen kompostieren? Auf diese Frage will die Grünen-Fraktion im Stadtrat eine Antwort vom Oberbürgermeister - zu recht

Kolumne von Julian Hans

Wenn jemand am liebsten alles haben will, ohne dafür auch Konsequenzen in Kauf zu nehmen, dann sagt der russische Volksmund über ihn: Der will auf die Tanne klettern, ohne sich den Popo zu zerkratzen. Genau darin übt sich gerade die Grünen-Fraktion im Stadtrat. In einer Anfrage an den Oberbürgermeister hat sie formuliert: "Kann man Weihnachtsbäume mit gutem Gewissen kompostieren?" Eine dringliche Angelegenheit ist das, schließlich bleiben nur noch drei Tage bis Mariä Lichtmess; dann ist es auch für fromme Katholiken an der Zeit, die Nadelschleuder vor die Tür zu setzen.

Die Bedenken der Grünen sind natürlich wissenschaftlich fundiert. Bei 13 von 17 Weihnachtsbäumen habe der Bund für Umwelt und Naturschutz 2017 Rückstände von Pestiziden nachgewiesen, schreiben sie. Was also, wenn diese über den Kompost in die Erde, ins Grundwasser und in den Nahrungskreislauf gelangten? Die Grünen wollen wissen, was dem Kommunalreferat über diese Gefahr bekannt ist und ob der Kompost biozertifiziert sei. Zu recht! Schließlich ist der Körper über die Feiertage ohnehin schon schweren Belastungen durch Plätzchen, Gänsebraten und Fondue ausgesetzt.

Nicht auszudenken, was los wäre, würde die Frage der Grünen negativ beantwortet. Kann so kurzfristig noch ein anderer Entsorgungsweg für die 200 Tonnen welken Immergrüns gefunden werden, die laut Abfallwirtschaft jedes Jahr in München anfallen? Den Elefanten in Hellabrunn kann man das verseuchte Gestrüpp ja auch nicht mehr als Leckerli anbieten. In den Kamin? Damit sie als Feinstaub und CO2 über der Stadt niedergehen? Also auf den Sondermüll? Zu teuer.

So wird wohl alles beim alten bleiben: Die Bäume kommen in den Kompost. Nur zur Pestizidbelastung kommt obendrein noch die Belastung des Gewissens. Oh Tannenbaum!

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Quelle:
SZ vom 30.01.2019
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