Süddeutsche Zeitung

Münchner Momente:Gemüse mit Makel

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Kooperationen, Sondereditionen, Super-Megaangebote: Supermärkte buhlen mal wieder um Kunden. Sogar Rumpelgemüse ist vergriffen

Von Franziska Gerlach

Die deutschen Supermärkte legen sich in diesen Tagen mal wieder mächtig ins Zeug, um so zu werden, wie der Kunde sie bevorzugt: eben super Märkte. Gerade in München, wo man ja gerne am größten, schnellsten oder schönsten ist, herrscht eine gewaltige Anspruchshaltung. Da ist es nicht damit getan, einfach nur Regale mit Lebensmitteln zu befüllen. Glücklicherweise sitzen in den diversen Marketingabteilungen der diversen Supermärkte genügend Leute, die sich permanent Neuerungen ausdenken. Kooperationen, Sondereditionen, Super-Megaangebote oder sonstiges Gedöns. Hauptsache, es wird gekauft.

Aldi zum Beispiel versuchte vor Kurzem, mit einer Kollektion von Designerin Jette Joop Gerangel am Wühltisch zu provozieren. Ob es schöne Sachen waren? Es geht. Aber es muss ja auch nicht immer alles schön sein, wie Penny gerade vormacht. Die Supermarktkette hat ihr Herz für Benachteiligte entdeckt. Gemüse oder Obst "mit klitzekleinen Schönheitsfehlern", so erklärt es eine sonore Frauenstimme in einer Haidhauser Filiale via Lautsprecher, werden dort nun als "Bio-Helden" verkauft. Weil: Wenn der Bauer beim Anbau auf die Chemiekeule verzichtet, kann es eben zu kleinen Unregelmäßigkeiten an der Schale kommen. Umweltbewusstsein vor Schönheit, sozusagen.

Dass wir es hier mit ein paar ökologisch überaus korrekten Makeln zu tun haben, wird wohl insbesondere jene freuen, die den Münchner Hang zur Makellosigkeit ohnehin nicht so gut abkönnen. Man vermag sich leicht vorzustellen, wie viel Genugtuung diesen ewigen Miesepetern all die schiefen Karotten und verbeulten Kartoffeln bereiten, die dem gemeinen Münchner das Weltbild durcheinander wirbeln. Leider haben die Miesepeter aber doch wieder den Kürzeren gezogen, der Chic und das Geschleckte werden die Stadt weiterhin beherrschen. Das Rumpelgemüse ist nämlich bereits vergriffen. Nur hin und wieder im Angebot, heißt es. Wäre ja auch zu schön gewesen.

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Quelle:
SZ vom 20.05.2016
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