Süddeutsche Zeitung

Münchner Momente:Der Herbst mausert sich

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Das viele Laub ist für Hundebesitzer und Hausmeister zwar eine Freude, aber die Saison ist kurz. Um die Leere zu kompensieren, machen sich viele von ihnen auf in den Süden

Kolumne Von Andreas Schubert

All das viele Laub, das derzeit überall die Böden bedeckt, ist bekanntlich das Höchste am Herbst. Hundebesitzer freuen sich, weil sie einfach ein paar vergilbte Blätter über die Häufchen ihres Fifis legen und sich dann aus dem Staub machen können, statt sie umständlich einzusammeln. Kinder freuen sich, wenn sie sich in die Laubhaufen am Straßenrand stürzen können, was wiederum die Eltern ganz und gar nicht freut, wenn der Laubhaufen eigentlich ein Hundstrümmerl-Tarnhaufen war. Dann gibt es natürlich noch all die Hausmeister, die schon der Laubbläsersaison entgegengefiebert haben, seit im Frühjahr die Bäume die ersten Knospen angesetzt hatten. Doch leider ist es halt so: Angesichts begrenzter Kapazitäten an Blattmaterial und zum Leidwesen aller Laubblasvirtuosen ist die Saison recht kurz, und allmählich mausert sich der Herbst ohnehin zum Winter, Ende nächster Woche soll es sogar schneien.

So mancher Hauswart dürfte deshalb bereits seinen Flug nach Thailand gebucht haben, um die Leere, die ihn in den nächsten Monaten erwartet, zu kompensieren. Wer in dieser Jahreszeit nach Asien fliegt, trifft am Münchner Flughafen stets eine Menge mittelalter, alleinreisender Männer, gerne mit Schnauzer, die es vermutlich wieder zum Hausmeister-Jahrestreffen nach Pattaya zieht. Aus aufgeschnappten Dialogen ist zu schließen, dass sich manche Herren schon länger kennen. Eine typisch tiefgängige Terminal-Konversation hört sich dann in etwa so an: "Ah, bist a wieder dabei, hod da dei Oide Urlaub gem?" "Freilich, die soll froh sein, wenn ich überhaupt wiederkomm."

Natürlich reden nicht alle Hausmeister so daher. Und dass diese Männer wirklich alle Hausmeister sind, ist nur eine Vermutung, vielleicht sind einige ja schon in Rente. Fest steht: Wenn man mal neben so jemandem zwölf Stunden im Flieger verbringen muss, hilft es, ein Schlafmittel dabei zu haben. Und überhaupt: Wer so etwas hört, würde sich am liebsten unter dem nächsten Laubhaufen verkriechen. Dummerweise gibt es davon am Flughafen keine.

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Quelle:
SZ vom 16.11.2018
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