Süddeutsche Zeitung

Münchner Momente:Das geht auch anders

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Eine Bohrmaschine als Küchenquirl, Roggenmehl als Shampoo - Lifehacks sind groß in Mode. Dem darf sich auch die Stadtplanung nicht verschließen

Kolumne von Julian Hans

Man nehme zum Beispiel einen ganz gewöhnlichen Bleistift. Dann befestige man ein paar Kabelbinder am einen Ende und spanne das andere in die Bohrmaschine - schon ist er fertig, der Küchenquirl! Oder, anderes Beispiel: Schuhe putzen. Bei weißen Stoffschuhen ist Zahnpasta ein bekannter Geheimtipp. Eine Mischung aus Backpulver und Geschirrspülmittel tut's auch, wenn die Zahnpasta alle ist. Aber Achtung: Das geht nur zum Schuhe-, nicht zum Zähneputzen! Dafür könnte man Kokosöl oder Apfelessig nehmen, so steht es im Internet. Es soll Leute geben, die waschen sich gar die Haare mit Roggenmehl, um sich von der Shampoo-Mafia zu befreien.

Früher hieß sowas "Hausmittelchen" und war was für Omas. Heute heißt das "Lifehacks", und Millionen Jugendliche gucken sich das auf Youtube an. Wir leben im Lifehack-Zeitalter. Wer sich ein Bügeleisen kauft, statt seine Hemden mit einem Topf voll kochend heißem Wasser platt zu pressen, ist ein fantasieloser Spießer. Wer das Wasser dafür im Wasserkocher erhitzt statt mit zwei Rasierklingen auf 230 Volt, ein Langweiler und Feigling.

Es ist nur konsequent, wenn sich auch die Stadtplanung dieser Mode unterwirft. Kein Heizkraftwerk darf mehr abgerissen werden, um an seiner Stelle Wohnungen zu bauen, wenn nicht wenigstens vorübergehend ein Technoklub einzieht. Kein Schlot darf verschwinden, ohne dass geprüft wird, ob sich an der Spitze nicht ein Café einrichten ließe. Wo sollen die Münchner sonst Cappuccino trinken?

Hätte das Müller'sche Volksbad nicht auch eine großartige Konzerthalle abgegeben? Der Mensch singt eh am liebsten im Bad. Und warum steht die Feldherrnhalle ungenutzt rum, wo es im Zentrum an überdachten Parkplätzen mangelt? Die Frauenkirche wäre ein prima Funkturm für Spione. Was, das gab es schon? München - die lifegehackte Landeshauptstadt. Niemand soll sagen, die Bayern lägen nicht im Trend!

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Quelle:
SZ vom 07.02.2019
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