Süddeutsche Zeitung

Münchner Freiheit:Anwohner beschweren sich über 24-Stunden-Kiosk

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Von Stefan Mühleisen, Schwabing

Es ist erst vier Jahre her, dass der grün leuchtende Kubus an der Münchner Freiheit eröffnet hat. Doch der markante "Kiosk im Deubl Glass Cube", so die offizielle Bezeichnung, hat sich für die Schwabinger selbst und für die Schwabing-Besucher bereits zu einer festen Größe entwickelt. Nicht nur optisch, als markanter Würfel im Gefüge der Münchner Freiheit, sondern auch praktisch, als Anlaufstelle für allerlei Nachtschwärmer, schließlich hat der Kiosk täglich 24 Stunden geöffnet. Allerdings sieht genau dies eine Hausgemeinschaft an der Ostseite des Platzes als Problem. "Die Zustände nachts sind oft unzumutbar", heißt es in einem Antrag an den Bezirksausschuss Schwabing-Freimann.

Die sechs Unterzeichner dringen darauf, das Gremium möge sich dafür einsetzen, ein Verkaufsverbot von alkoholischen Getränken zwischen 22 und 7 Uhr zu erwirken. "Das kann so nicht bleiben", beschwor einer der Bewohner bei der Sitzung die Stadtviertelvertreter. Er berichtete von alkoholisierten, laut sich unterhaltenden Gruppen im Umfeld des Kiosks, die sich dort teils bis vier Uhr nachts tummelten - und sich offensichtlich mit Bier vom Kiosk versorgten. "Wir haben Ohropax bis zum Anschlag im Ohr", sagte der 72-Jährige.

Seit 45 Jahren wohnt der Rentner nach eigenen Angaben in dem Haus und er beteuert: Seit es den Kiosk gebe, habe sich der Bereich zwischen der Ecke zur Haimhauserstraße und dem Forum "zum Partyplatz etabliert". Er und seine Nachbarn fühlen sich schikaniert. "Wir sind wirklich keine empfindlichen Leute, aber es wird immer schlimmer." Die Hausgemeinschaft erwägt bereits rechtliche Schritte. Man werde sich einen Anwalt nehmen, sollte der Bezirksausschuss den Antrag ablehnen - und bei der Stadt auf Entzug der nächtlichen Alkohollizenz klagen, kündigt der 72-jährige Anwohner an.

Die Lokalpolitiker haben die Eingabe vertagt. "Wir wollen uns zunächst von neutraler Seite ein Bild machen", sagte der Gremiumsvorsitzende Werner Lederer-Piloty (SPD) zur Begründung. Polizei, Streetworker sowie der Kioskbesitzer sollen ausführlich um Einschätzung der Lage gebeten, die Causa dann im Januar oder Februar im Bezirksausschuss erneut diskutiert werden. "Bevor wir uns nicht erkundigt haben, können wir nichts machen", vertröstete Ekkehard Pascoe (Grüne) die Beschwerdeführer.

Dass nun ganz genau hingeschaut werden soll, hängt sicher auch damit zusammen, dass dieser Kiosk bei den Lokalpolitikern große Wertschätzung genießt. Sie hielten dem ursprünglichen Betreiber Alexander Vesely die Stange, der vier Jahre für seine Idee von einem "Späti" an der Münchner Freiheit gekämpft hatte und vergangenes Jahr verstarb.

Die Schwabinger Politiker fanden die Standl-Idee mit ausgefallener Architektur, ohne Ausschank und ohne Freifläche, aber rund um die Uhr geöffnet, äußerst charmant: Ein dunkler, öder Fleck wird belebt und auch gleich beleuchtet; die Bürger können sich jederzeit mit Kiosk-Artikeln - Zigaretten, Zeitungen, Süßigkeiten, Snacks - versorgen; und als Dreingabe hat immer ein Mitarbeiter das Platzgeschehen im Auge, eine für die Öffentlichkeit quasi kostenlose Wacht, nicht unmaßgeblich für das Sicherheitsempfinden, wie Bürger immer wieder bestätigten. Dabei gab es durchaus einige, die eine Saufbude befürchteten, später den Kiosk dann aber als Gewinn fürs Viertel beschrieben.

Wie sehr der Bezirksausschuss den Kiosk als Bereicherung sieht, zeigt sich an der Auszeichnung, die er Vesely verlieh: "Das Schwabinger Lächeln", ein vom BA initiierter Lob-Preis "für herausragende Verdienste um Münchens schönste Tochter". Der Name lehnt sich an Verse von Peter Paul Althaus an: "In der Traumstadt ist ein Lächeln steh'n geblieben; niemand weiß, wem es gehört", schrieb er einst.

Für Matthias Kehr ist das schon deshalb passend, weil immer wieder freudig strahlende Kunden vor seinem Kiosk stehen. "Die Leute lächeln, wenn ich sage, dass ich immer geöffnet habe", sagt der Kioskbetreiber und ehemalige Lebensgefährte von Alexander Vesely. Und das Lächeln, so sagt er, das wäre dann wohl weg, wenn er die Alkoholverkaufslizenz in den Nachtstunden verlieren würde.

Der 41-Jährige zeigt Verständnis für die Nachbarn. Doch er sagt auch, dass die Münchner Freiheit unabhängig von seinem Kiosk inzwischen ein attraktiver Platz sei. Die jungen Leute, so sein Eindruck, wollen draußen sein, ob am Gärtnerplatz oder an der Münchner Freiheit. "Ich darf ohnehin keinen Schnaps, keinen Wein und keinen Sekt verkaufen. Nur Bier." Und das könnten sich die Nachtschwärmer auch in der nahen Tankstelle an der Ungererstraße oder in Kneipen an der Feilitzschstraße besorgen, argumentiert Kehr.

Wobei die Flaschenbiere qua Auflage ohnehin etwas teurer sind, um nicht Anziehungspunkt für Trinker zu sein. "Ich könnte den Bierpreis noch ein bisschen anheben", bietet Kehr an. Doch ohne Bierverkauf, so ist er sich sicher, müsste er wohl mangels Umsatz den Nachtbetrieb einstellen. "Mein verstorbener Lebenspartner hat lange dafür gekämpft, dass wir in Schwabing einen 24-Stunden-Kiosk bekommen", sagt Kehr. "Und das möchte ich bewahren."

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SZ vom 29.12.2018
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