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Temperatursprünge:"Dass sich die Wetterlage so abrupt ändert, ist in der Tat ungewöhnlich"

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Heute Sonne, übermorgen Schnee: Das Wetter zeigt sich in jüngster Zeit sehr wechselhaft. Selbst Experten gibt das Rätsel auf.

Von Jan Christoph Freybott

Wer Ende Februar mit Eiswaffel durch München spazierte und die Sonne genoss, der dachte, er sei angekommen im Frühling. Bis zu 20 Grad Celsius zeigte das Thermometer an, der Winter schien passé. Zwei Kehrtwenden später ist die Wetterlage ähnlich: Diese Woche ist es nach einem Temperatureinbruch am Wochenende wieder frühlingshaft, ehe am Freitag mit Schnee zu rechnen ist. Woher kommen diese Temperatursprünge?

"Dass sich die Wetterlage so abrupt ändert, ist in der Tat ungewöhnlich", sagt Christian Ehmann vom Deutschen Wetterdienst (DWD). Ausschlaggebend sei wie so oft der Wind. Als die Temperaturen in München Mitte Februar auf minus elf Grad Celsius sanken, lag das an der arktischen Kaltluft, die sich über Skandinavien gesammelt hatte, wie Ehmann erklärt.

Der Wind habe gedreht und diese Luftmasse bis vor die Alpen geschoben, also auch nach München. Das ist keine Besonderheit, wie ein Blick in die meteorologischen Daten zeigt. Außergewöhnlich sei, wie plötzlich sich die kalte Luftmasse vertreiben ließ. "Normalerweise ist kalte Luft extrem träge", erklärt Ehmann. Wenn der Wind abermals dreht und aus dem Süden bläst, brauche die warme Luftmasse sonst mehrere Anläufe, um die Kaltluft zu vertreiben. "Doch jetzt ging das von einem Tag auf den anderen."

Woran das liegt, darüber könne bisher nur spekuliert werden. In früheren kalten Wintern habe ein gewaltiges Kontinentalhoch über Nordosteuropa gehangen, ein "Bollwerk", das auch in Deutschland für Dauerfrost sorgte. Das habe sich von Luft aus Nordafrika nur langsam verdrängen lassen, so Ehmann - anders als die Kaltluft, die sich Mitte Februar über München legte.

Außergewöhnlich sei außerdem, wie hartnäckig sich die warme Luft im Februar hielt. An mehr als zehn Tagen in Folge gab es in Deutschland zweistellige Plusgrade. "Eine milde Periode, wie wir sie eher Ende März oder Anfang April erwarten", so Ehmann. Für den Temperatursturz am vergangenen und am kommenden Wochenende - so er denn kommt - sind Kaltfronten aus Nord und Nordost verantwortlich. Nichts Ungewöhnliches, doch fallen sie in der milden Periode ins Gewicht. "Wir reden von Temperaturstürzen und landen danach bei acht Grad Celsius", ordnet Christian Ehmann ein. "Das ist immer noch zu warm."

Dass es danach mit dem Hin und Her weitergeht, bezweifelt der Wetterexperte. Die Polarluft am Wochenende dürfte allenfalls nachts Frost mit sich bringen, ehe sich im Lauf der Woche gemäßigte Luft vom Atlantik ankündigt und Regen bringt. Vom neuerlichen Wintereinbruch könne also nicht die Rede sein. Eher von normalem Märzwetter.

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Quelle:
SZ vom 03.03.2021
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