Süddeutsche Zeitung

Wetter in München:Apokalypse April

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Eben flanierten noch kurzbehoste und kurzberockte Menschen durch die Stadt. Und nun? Sind alle Frühlingsgefühle unbarmherzig auf Eis gelegt. Nicht auszudenken, was es ausgelöst hätte, wenn Wüstenstaub und Neuschnee zusammengetroffen wären.

Eine Glosse von Joachim Mölter

Jalousien hoch, Vorhänge beiseite, und dann das: ein Weiß, soweit das Auge reicht. Kaum, dass man am Samstagmorgen unter der warmen Bettdecke hervorgekrochen war, sah man durchs Fenster eine Schneedecke auf Wiesen und Wegen, Ästen und Knospen. Und am Sonntagmorgen war sie sogar noch dicker. Es hat am Wochenende dermaßen geschneit, wie man es sich im Dezember zu Weihnachten wünscht, aber doch nicht jetzt, Anfang April. Muss das sein? Darf das denn überhaupt wahr sein?

Vor ein paar Tagen war es schon so warm, dass kurzbehoste und kurzberockte Menschen durch die Stadt flanierten und jeden freien Café-Tisch in der Sonne besetzten. Und nun? Sind alle Frühlingsgefühle unbarmherzig auf Eis gelegt. Man muss froh sein, dass der Sahara-Sand weitergeweht ist, der in der vorigen Woche noch die Atmosphäre über Bayern getrübt hatte. Nicht ganz so dramatisch wie Mitte März, als der Himmel rotbraunockerorange leuchtete und dann ausgewaschen wurde von einem Niederschlag, den Boulevardmedien plakativ als "Blutregen" bezeichneten. Aber immerhin: Der Sahara-Sand schwebte noch drohend über einem.

Nicht auszudenken, wie das an diesem Wochenende nach dem Aufwachen ausgesehen hätte, wenn Wüstenstaub und Neuschnee aufeinander getroffen und gemeinsam zu Boden gegangen wären. Blutschnee allüberall, nicht nur auf Hausdächern und Motorhauben. Apokalypse now!

So war das nicht gemeint mit dem "Frieren für den Frieden"

Es hat ja nicht nur geschneit, es war obendrein auch kalt und frostig, sodass das gerade erst verdrängte Thema Heizkosten samt Öl- und Gas-Lieferungen aus Russland wieder aufploppte. So war das aber nicht gemeint mit dem "Frieren für den Frieden"! Wenn überhaupt, dann sollte das für den nächsten Winter gelten, aber doch nicht jetzt sofort. Und außerdem: Ist das nicht ein weiteres Zeichen des unaufhaltsamen Klimawandels, dieser Schneefall im April?

Viele trübsinnige Gedanken rieselten durch den Kopf, so wie die weißen Flöckchen draußen in der frischen Luft. Aber es war auch eine beruhigende Erinnerung dabei - an einen Spruch der Oma, den sie schon von ihrer Oma gehört hat: "April, April, der macht gern, was er will. Mal Regen und mal Sonnenschein, und manchmal schneit's auch zwischenrein."

Mit anderen Worten: Das gab's früher schon, dass es im April geschneit hat, das ist kein neues Phänomen, also auch kein Grund für Weltuntergangsstimmung. Am Mittwoch soll's ja schon wieder 15 Grad warm werden.

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