Süddeutsche Zeitung

"Collecting Histories":Ausstellung neu entdeckter Werke von Franz von Stuck

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Die Zugänge des Pandemiejahres umfassen Porträtmalerei, Pastelle, Plakate und Aquarelle von Franz von Stuck - bislang wusste kaum jemand etwas von deren Existenz.

Von Evelyn Vogel

Wenn ein Museum das Pandemiejahr 2020 als ein "glückliches" bezeichnet, muss es wahrlich ein besonderes Jahr gewesen sein. Und tatsächlich konnten die Sammlungen des Museums Villa Stuck 2020 so viele Neuerwerbungen, Schenkungen und eine Dauerleihgabe verzeichnen, dass die Museumsleute überaus glücklich sind. "In kurzer Zeit ist enorm viel zusammengekommen", wundert sich Kuratorin Margot Brandlhuber. Sie hat aber auch eine Erklärung parat: "Viele Privatleute hatten Muse, sich zu überlegen, was sie mit ihren Objekten tun wollen, und sie hatten oft auch Zeit, die Dinge auf den Weg zu bringen."

Und so konnte das Museum mithilfe des Fördervereins ebenfalls die Dinge auf den Weg bringen. Die Neuzugänge umfassen Porträtmalerei, Pastelle, Plakate, Aquarelle von Franz von Stuck, ein Möbelstück aus seinem Besitz sowie die ersten 13 Jahrgänge der politisch-satirischen Wochenzeitschrift Simplicissimus. Die zehn Objekte und Konvolute stammen zumeist aus Privatbesitz und wurden teils geschenkt, teils in direkten Verhandlungen mit den Eigentümern erworben. Dabei fungiert der Förderverein nicht selten als Käufer und gibt die Erwerbungen dann dem Museum weiter. So auch die Simplicissimus-Hefte. "Da standen die Besitzer aber direkt im Garten der Villa Stuck und haben sie uns angeboten", erzählt Brandlhuber. Schon allein die Geschichte, wie deren Vorfahren die Originalausgaben aus einem zum Abriss bestimmten Amtsgericht retteten, ist nicht alltäglich - oder doch? Wer weiß, wie viele bedeutsame Stücke der Kunstgeschichte gerade noch der Anweisung "haut's weg das alte G'lump" entgangen sind.

Zufälle und glückliche Fügungen spielen oft eine Rolle, wenn das Museum Kenntnis von einem Objekt erlangt, das kaum oder gar nicht bekannt war. Intensive Recherchen der Fachleute tun es aber ebenso. Stolz ist die Kuratorin, dass sie von den Stücken, die nun in der Sonderausstellung "Collecting Histories" präsentiert werden, sagen kann: "Alles, was Sie hier sehen, war noch nie zu sehen, wurde noch nie publiziert, ja man wusste zumeist nicht einmal, dass es existiert!"

Präsentiert werden die Neuzugänge in den historischen Räumen. Und da man diese pandemiebedingt nach wie vor durch den früher abgesperrten Empfangssalon betritt, ist der Besucher schon perfekt in die Welt Franz von Stucks eingetaucht, bevor er in der kleinen Bibliothek die ersten Werke erspäht. Die beiden frühen Zeichnungen belegen den Übergang Stucks vom Zeichner zum Maler - kenntlich an den Signaturen. Tatsächlich: Wer den typischen, stark stilisierten Stuck-Schriftzug auf einer der beiden Zeichnungen findet, staunt über die flüchtige Schreibschrift, die die andere Zeichnung "Satyr mit Nymphen und Kind" kennzeichnet. Darin posiert Stuck selbstironisch als Satyr.

Malerisch mit zeichnerischem Gestus sind die beiden medaillonförmigen Kinderporträts im Boudoir. Sie stammen aus dem Besitz des 2000 gestorbenen britischen Kunsthistorikers Francis Haskell. Sie stellen seine Mutter Vera Saitzoff und deren Bruder Alexander dar. Haskells Witwe Larissa schenkte sie der Villa Stuck dank einer Initiative von Nicholas Penny, ehemals Direktor der National Gallery in London. Der Titel der Ausstellung "Collecting Histories" ist eine Hommage an Haskell.

Vorbei an den ausgebreiteten Simplicissimus-Ausgaben im großen Speisesaal geht's in den Rauchsalon. Dort wird eine besondere Entdeckung präsentiert: das bislang einzig bekannte Plakat Stucks für die Münchner Jahresausstellung im Glaspalast 1889. Die neu erworbene, signierte Lithografie auf Goldgrund (original mit Faltspuren) wird zusammen gezeigt mit dem großformatigen Entwurf "Huldigung an die Malerei" und dem Gemälde "Wächter des Paradieses". Weil die Ausstellung, für die das Plakat warb, für Stuck den Durchbruch als Maler bedeutete. Er zeigte darin eben jenes symbolistische Gemälde, "Wächter des Paradieses". So hängt zusammen, was zusammen gehört.

Ein großformatiges Altersporträt des Prinzregenten Luitpold aus dem Familienbesitz des Nürnberger Industriepioniers Johann Wilhelm Spaeth gehört ebenso zu den Schenkungen des Fördervereins wie ein reizendes Kabinettschränkchen zu den "10 Lebensstufen". Dieses war über Stucks Tochter Mary zu einer befreundeten Malerfamilie gelangt. Nun kam es nach fast 100 Jahren wieder in die Villa zurück.

Im Herzstück der Villa angekommen - im Alten Atelier - erwartet die Besucher zwar nicht das doppelte Lottchen, aber die zweifache Sünde. Neben dem bekannten Gemälde auf dem Altar steht auf einer Staffelei die Pastell-Version seiner "Sünde". Quadratisch angelegt, so dass die Schlange mit ihren funkelnd blauen Augen ins Zentrum rückt. Herrlich, die beiden Versionen so nebeneinander zu sehen. Wie diese Dauerleihgabe aus Privatbesitz in die Hände des Geistlichen Rats Leopold Schwarz gelangte, der sie Anfang der Sechzigerjahre an die Familie der jetzigen Besitzer veräußerte, lässt Raum für Geschichten und Geschichte. Derzeit ist sie Gegenstand eines Provenienzforschungsprojekts.

Collecting Histories. Neueste Erwerbungen, Schenkungen und Dauerleihgaben , Villa Stuck , Prinzregentenstraße 60, bis 2. Mai, nur mit Onlineticket; 11. April, 11 Uhr: Zoom-Talk Kuratorin Margot Brandlhuber im Gespräch mit Sir Nicholas Penny

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SZ vom 08.04.2021
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