Süddeutsche Zeitung

Ankunft am Hauptbahnhof:Mit Foto und Fingerabdruck

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Die Polizei unterscheidet bei der Registrierung von Kriegsflüchtlingen zwischen ukrainischen Staatsangehörigen und solchen aus Drittstaaten. Ist das diskriminierend?

Von Bernd Kastner

Werden Flüchtlinge aus der Ukraine ungleich behandelt? Wird die Gruppe der sogenannten Drittstaatler diskriminiert, weil die Polizei am Münchner Hauptbahnhof ihre Fingerabdrücke nimmt? Unter Flüchtlingshelfern gibt es die Sorge, hier könnte sich Rassismus einschleichen.

Die allermeisten Geflüchteten sind ukrainische Staatsbürger, aber es kommen auch Drittstaatler aus der Ukraine. Menschen mit einem Pass eines anderen Landes, die sich bei Kriegsbeginn in der Ukraine aufgehalten haben und ebenfalls vor Putins Bomben geflüchtet sind, etwa Studierende aus einem afrikanischen Staat. Sie werden in Deutschland aufgenommen wie ukrainische Staatsangehörige. Und doch werden die Gruppen bei ihrer Ankunft unterschiedlich behandelt, im Starnberger Flügelbahnhof, wo das Polizeipräsidium die Ankommenden registriert.

Wer einen ukrainischen Pass dabei hat, muss das Papier nur kurz für eine Kopie aus der Hand geben, die Polizei erfasst die Namen der Ankommenden, das war's. Drittstaatler dagegen werden erkennungsdienstlich erfasst, erklärt Polizeisprecher Marc Aigner. Auch dann, wenn die Person einen Pass hat und nachweist, sich bei Kriegsbeginn legal in der Ukraine aufgehalten zu haben. Von dieser Person macht die Polizei ein Foto und nimmt Fingerabdrücke.

Diskriminierung sei das nicht, betont der Sprecher und erklärt den Hintergrund. Ukrainer seien, ganz unabhängig vom Krieg, "Positivstaatler". So heißen im Polizeijargon Menschen aus einem Staat, der auf der sogenannten Positivliste steht. Bürger dieser Staaten dürfen ohne Visum einreisen und für drei Monate bleiben, zum Beispiel als Touristen.

Wer die Staatsangehörigkeit eines Landes hat, das nicht auf der Positivliste steht, und ohne Visum einreist, gegen den werde routinemäßig ein Verfahren wegen illegaler Einreise eröffnet. Bei Asylbewerbern geschieht dies in der Regel, wobei das Verfahren nach dem Stellen des Asylantrags ruht; am Ende bleibt es meist ohne Konsequenzen für die Flüchtlinge. Solch ein Verfahren wäre eigentlich auch bei Drittstaatlern aus der Ukraine einzuleiten. Gemäß Verordnung des Bundesinnenministeriums aber gelte laut Sprecher für diese Gruppe eine Ausnahme: Der Staat sieht ab von einer möglichen Strafverfolgung. Die erkennungsdienstliche Behandlung jedoch findet weiterhin statt.

"Bedenklich" findet das Thomas Lechner, Stadtrat der Linken. Es sei psychologisch denkbar ungünstig, die Geflüchteten ungleich zu behandeln, "sie kommen alle aus dem gleichen Krieg". Die Registrierung laufe bisher völlig reibungslos, betont Polizeisprecher Aigner. Mittels Dolmetschern erkläre man den Angekommenen das Prozedere. Alles laufe "absolut kooperativ".

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