Süddeutsche Zeitung

Typisch deutsch:Nasale Verzweiflung

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Unser Autor hat eine Nase, deren Geruchsinn äußert gut funktioniert. In Münchens Bäckereien erfreut er sich an der Intensität des Duftes von Gebäck. Es gibt aber auch Momente, an die er sich nur schwer gewöhnen mag.

Kolumne von Olaleye Akintola

Es gibt Menschen, die glauben am Durchmesser des Nasenrückens oder an der Breite der Nasenlöcher Indikatoren für menschliche Eigenschaften ablesen zu können. Sie sagen dann Sätze wie: Ich will nicht neugierig sein, aber die Form Ihrer Nase sagt viel über Sie aus. Welch ein Quatsch, denke ich in solchen Momenten. Wie bei der Hautfarbe legt niemand fest, wie seine Nase aussehen soll, es passiert einfach.

Manche sind mit hohlen, langen Nasenlöchern ausgestattet, wie Mini-Hubschrauber, mit knospenden Flügeln, die zum Abheben in den Wind provoziert werden. Andere sind mit flachen Nasen gesegnet, mit außergewöhnlich breiten Eingängen, die eine großzügige Rolle Kartoffelbrei aufnehmen könnten. Wissenschaft und anthropometrische Messungen haben ergeben, dass es unterschiedliche Nasentypen gibt: Die afrikanischen Nasen sind am kürzesten und breitesten, die kaukasischen am schmalsten. Viele Bayern tragen Nasen, die sich im Bereich dazwischen bewegen, manche sind aber auch mit einem hervorragenden Zinken gesegnet.

Ich selbst besitze eine ziemlich flache Nase, deren Geruchssinn äußerst gut funktioniert. In Münchens Bäckereien erfreue mich an der Intensität des Duftes von Gebäck. Es gibt aber auch Momente, an die ich mich nur schwer gewöhnen mag. Penetrante Gerüche, die einem etwa zu gewisser Uhrzeit in Wirtshäusern oder auf Volksfesten entgegen schlagen, bringen mich bisweilen zur nasalen Verzweiflung, weswegen ich solche Orte tatsächlich zeitweise gemieden habe.

Zumindest die Form einer Nase hat mich in Nigeria und auch in Bayern lange nicht sonderlich interessiert. Ich zähle nicht zu jenen, die Nasen wie ein Automobil sehen und durch Zusatzausstattungen zu einer Sonder- oder gar einer Luxusausgabe auffrisieren. Beim Auto wie bei der Nase halte ich es mit dem entscheidenden Punkt, der Funktionalität. Sie muss die Grundfunktion des Atmens und Riechens ermöglichen, der Rest ist Komplementärfunktion. Und hier kommen wir zum Kern.

Während eines heftig frostigen Winters vor gut zwei Jahren war meine Nase permanent verstopft - ich wälzte mich atemlos durch die Nacht und verbrachte äußerst unruhige Monate. Alle meine Versuche, die Blockade zu vertreiben, scheiterten. Ein Freund riet mir scherzhaft, meine Nase aus den Angelegenheiten der Leute herauszuhalten. Ich zog es vor, zum Arzt zu gehen.

Den Empfehlungen des Arztes folgend, kam meine Nase schließlich unter das Messer, um korrigiert zu werden. Der Arzt diagnostizierte mir tatsächlich eine Nasenscheidewandverkrümmung. Und so sollte ich - ausgerechnet an der Nase - operiert werden.

Vielleicht sollte die Korrektur dazu dienen, meine Nase spitz aussehen zu lassen, wie alle Nasen der Marke Bayern, damit sie leichter Luft filtern und absorbieren konnte bei einem Wetter mit hoher Luftfeuchtigkeit? Erstaunlich, was einem die Fantasie so durch den Kopf treibt.

Ich bin kein Pinocchio, aber ich kann getrost sagen, dass jede Nase ihre Vor- und Nachteile hat, ob lang oder kurz. Seit der nasalen Anpassung habe ich ein wenig von meinem Geruchssinn verloren - was nicht nur Nachteile hat. Das wichtigste an einer Nase ist, dass sie Gefahr schon von weitem riechen kann.

Übersetzung aus dem Englischen: Korbinian Eisenberger

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SZ vom 09.07.2021
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