Süddeutsche Zeitung

Kultur in München:Dieser Mann baut die Kunstwerke am Eingang des Tollwoods

Lesezeit: 3 min

Adam Stubley entwirft seit elf Jahren Skulpturen für das Festival, sein liebstes Projekt war der "Flaschenbaum" 2015. Was er in diesem Jahr vor hat.

Von Hanna Emunds

Staub wirbelt auf, als der Gabelstapler im Olympiapark rückwärts setzt und die Träger unter zwei Stützen hervorzieht. Männer in kurzen Hosen und Arbeitsschuhen rufen und gestikulieren wild durcheinander. Zwischen ihnen steht ein Mann in Schottenrock und grobem Baumwollhemd, den Strohhut tief in die Stirn gezogen, die Augen verdeckt eine dunkle Sonnenbrille. Adam Stubley könnte auf den ersten Blick ein bisschen furchteinflößend wirken, mit seinem grauen Bart und den tätowierten Unterarmen, denen man ansieht, dass sie oft der Sonne ausgesetzt sind. Doch wenn er spricht, ist seine Stimme freundlich und weich, die blauen Augen blitzen auf, wenn sich das Gespräch der Kunst nähert.

Seit elf Jahren ist der Brite jetzt schon als Künstler des Tollwood-Festivals aktiv. Angefangen hat alles mit einem japanischen Pavillon, den er für das Festival entwarf und aufstellte. Heute finden sich seine Werke auf dem ganzen Gelände verteilt, viele der großen Zelte hat er persönlich entworfen, samt Innenausstattung. Mehrmals stellte er jetzt auch schon das große Eingangskunstwerk, mal war es ein Lichterbaum, mal ein acht Meter hoher Wal aus Plastikflaschen.

Bei diesem Sommerfestival heißt die Eingangsskulptur "Loop", ein Looping aus 200 Einkaufwagen. Acht Meter ragt dieser in den Himmel und soll passend zum Thema des diesjährigen Festivals "Reicht leicht" auf das unreflektierte Konsumverhalten der Gesellschaft aufmerksam machen. Aber noch steht nur die Hälfte. Irgendwas mit der Statik stimmt nicht so ganz. Stubley wirkt trotzdem entspannt, so etwas passiert öfter: "Papier ist geduldig, aber die Umsetzung ist oft nicht so einfach, wie man denkt."

Arbeiten mit dem, was da ist, aus dem Gegebenen das Beste machen, das hat der 55-Jährige schon in seiner Kindheit gelernt. Als Sohn eines Malers wuchs er im Norden Englands auf. Die Familie hatte nicht viel Geld, es gab keinen Fernseher, die Kinder waren viel draußen und mit sich selbst beschäftigt. "Mein Vater hat mir beigebracht, dass man einen Job auch nur für sich selbst machen und trotzdem gut davon leben kann. Man braucht keinen Boss." Schon damals hat Stubley diesen Trieb gespürt, Dinge mit den eigenen Händen zu erschaffen. Er arbeitete eine Zeit lang als Schmied und Schlosser, bis er sich schließlich für die Kunst entschied. Die Natur war und ist eine seiner Inspirationsquellen, diese zu achten ist für ihn deshalb schon immer recht selbstverständlich.

Seine Mitarbeit beim Tollwood hat dieses Verständnis allerdings noch verstärkt. Stubley trägt keine Kleidung mehr aus Fleece, denn die Fasern gelangen durch häufiges Waschen ins Grundwasser und sind heute schon in den Kleinlebewesen der Ozeane zu finden. Fleisch isst er nur noch selten und wenn, dann achtet er auf die Herkunft und die Lebensbedingungen der Tiere. Kunst, Kultur und Umwelt, das sind für ihn alles zusammenhängende Themen.

"Für Kunst und Umwelt gilt: Die Energie, die man reinsteckt, die scheint auch wieder heraus. Die geht niemals verloren. Aber wir haben schon viel Blödsinn gemacht", sagt er über seine eigene Generation. Wenn er früher am Strand gespielt hat, dann gab es dort noch keine Müllberge, höchstens mal Treibholz oder eine angespülte Boje. Heute sieht das anders aus: Statt Muscheln werden Plastikflaschen und Zigarettenstummel angespült. Sein liebstes Projekt für Tollwood war deshalb der "Flaschenbaum". Im Winter 2015 stand dieser zehn Meter hohe Weihnachtsbaum aus 4000 PET-Flaschen auf dem Gelände der Theresienwiese. Ein Aufruf für mehr Recycling, der sogar die Aufmerksamkeit der internationalen Meeresschutzorganisation Sea Shepard gewann.

Ein Zufall führte Stubley nach Süddeutschland

Internationalität ist für Adam Stubley wichtig, Toleranz und Offenheit besonders. Auch auf dem Tollwood arbeitet er mit Menschen aus der ganzen Welt zusammen, manche kommen aus Slowenien, Ungarn, Spanien oder Argentinien. Gesprochen wird hier meist Englisch. Stubley selbst spricht Deutsch mit britischem Akzent, in den sich aber auch schon mal ein bayerisches "basst scho" verirrt.

Aber wieso zieht es einen von Nordengland überhaupt nach Türkenfeld in der Nähe des Ammersees? Für Stubley war es eher ein Zufall: Auf einer Motorradtour durch Indien lernte er einen Mann aus Inning kennen, der ihn einlud, auf der Rückfahrt doch bei ihm Halt zu machen und ein paar Tage zu bleiben. Das ist mittlerweile 32 Jahre her, und ebenso lange lebt Stubley nun schon mit seiner Frau und zwei Kindern in Süddeutschland. Bereut hat er die Entscheidung nie: "In England wäre ich eh nicht geblieben, ich war schon immer Europäer. Früher war das ja noch einfacher, ich konnte gehen, wohin ich wollte, solange ich einen Schlafplatz und Arbeit hatte."

Früher, das heißt für Stubley vor dem Brexit. Dass den jungen Leuten die Chancen, die er damals hatte, vielleicht in Zukunft verwehrt bleiben, das findet er schlimm. Wenn er könnte, würde er alles anders machen. Manchmal glaubt er jedoch, schon etwas zu alt dafür zu sein. Auch deshalb ist er froh, dass sich die jüngere Generation jetzt so stark für politische Themen und die Umwelt einsetzt. Besonders von den Fridays for Future ist er begeistert: "Viele von den Kids, die heute auf die Straße gehen, dürfen noch nicht wählen. Aber sobald sie soweit sind, wird sich etwas ändern."

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Quelle:
SZ vom 25.06.2019
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