Süddeutsche Zeitung

Unterstützung im Alter:Streetworker kümmern sich um einsame Senioren

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Sozialarbeiter gehen auf die Straße und sprechen gezielt alte Menschen an. Sie versuchen zu helfen, wenn Senioren einsam oder überfordert sind. Das Projekt wird nun auf weitere Stadtviertel ausgeweitet.

Von Sven Loerzer

Dass sich Sozialpädagogen um Jugendliche kümmern, die auf Plätzen abhängen, oder Obdachlose an ihren Treffpunkten aufsuchen, um ihnen Hilfe anzubieten, gehört schon längst zu den etablierten Methoden der Sozialarbeit. Streetwork für Senioren aber, das ist neu: Seit zwei Jahren sind vier Halbtagskräfte von vier Alten- und Servicezentren auf Plätzen, in Parks und Straßen in Harlaching, Milbertshofen, Sendling und im Westend unterwegs, um alten Menschen Unterstützung anzubieten. Obwohl Corona den Start des Projekts "Senior*innen aufsuchen im Viertel durch Expert*innen" (Save) erschwerte, konnten im vergangenen Jahr 226 alte Menschen erreicht werden.

Am häufigsten kamen dabei finanzielle Probleme zur Sprache, aber auch körperliche Einschränkungen und Krankheiten sowie Einsamkeit. Ein gutes Drittel der Angesprochenen ließ sich an das jeweilige ASZ oder andere soziale Einrichtungen vermitteln. Auf Antrag der SPD/Volt-Stadtratsfraktion, unterstützt von den Grünen/Rosa Liste, hat der Sozialausschuss des Stadtrats nun beschlossen, das Projekt 2022 auf das Einzugsgebiet von fünf weiteren Alten- und Servicezentren auszudehnen.

Die zusätzlichen Kosten dafür, rund 200 000 Euro jährlich, sind bereits im Budget als Posten für die Bekämpfung der Pandemie-Folgen eingeplant. Sozialreferentin Dorothee Schiwy (SPD) wertete es als Erfolg, dass unter den erschwerten Bedingungen mit dem Projekt Senioren erreicht werden konnten, die kaum privaten Rückhalt haben und auch von sich aus keine sozialen Einrichtungen aufsuchen.

Beispiele aus der Arbeit der Streetworker zeigen, dass das neue Angebot tatsächlich hilft, Menschen zu erreichen, die sehr auf sich allein gestellt leben. Etwa jenen Mann, der zwar Grundsicherung im Alter bezieht, weil die Rente nicht zum Leben reicht, sich aber mit dem Schriftverkehr der Behörden überfordert fühlt. Er ließ sich dann im ASZ beraten. Oder aber jene Frau, die nach mehreren Kontakten zu berichten begann über traumatisierende Gewalterfahrungen - ein erster Schritt hin dazu, ihr therapeutische Hilfe vermitteln zu können.

Eine Streetworkerin sprach eine Frau an, gut 80 Jahre alt, die auf ihrem Rollator am Rande eines Platzes saß. Sie wirkte traurig und ein wenig ängstlich. Nachdem sich die Streetworkerin vorgestellt hatte, erzählte die Seniorin zunächst zögerlich, aber dann immer flüssiger, was sie belastete: Ihr Ehemann, mit dem sie 50 Jahre verheiratet war, und sie selbst erkrankten beide schwer an Covid-19. Die Frau musste drei Monate in der Klinik verbringen. Noch zwei Monate nach ihrer Entlassung hatte sie sich nicht völlig erholt. Ihr Mann ist gestorben, noch bevor sie selbst die Klinik verlassen durfte. Sie konnte sich nicht einmal von ihm verabschieden und sei allein in die verlassene Wohnung zurückgekehrt.

Gespräche auf Augenhöhe verschaffen Entlastung. "Viele der angetroffenen Personen haben kein soziales Netz, wenden sich nicht an Institutionen oder haben den Kontakt dorthin verloren", betont die Sozialreferentin. Das Projekt Save ermögliche, die individuelle Lebenssituation durch Vermittlung von Hilfen zu verbessern.

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