Süddeutsche Zeitung

Entsorgung am Straßenrand:So werden Münchens Schrotträder beerdigt

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Aufgeschlitzte Sattel, platte Reifen, rostige Ketten: Fahrradwracks blockieren die ohnehin raren Abstellplätze. Wer sie entfernt und was passiert, wenn sich ein Besitzer doch noch meldet.

Von Judith Bauer

Manchen Fahrrädern sieht man an, dass sie schon sehr lange nicht mehr bewegt wurden. Krumm stehen sie da, mit aufgeschlitztem Sattel, platten Reifen und rostiger Kette. Sie geben nicht nur ein trauriges Bild ab, sondern stehen auch anderen Rädern im Weg, denn sichere Abstellplätze sind knapp in München.

Die Stadt hat deshalb die Park & Ride GmbH damit beauftragt, sogenannte Schrotträder systematisch zu entsorgen. Das städtische Tochterunternehmen tut dies seit 2017 nach einem Modell, das Geschäftsführer Wolfgang Großmann für einzigartig in Deutschland hält und für das die Stadt laut Baureferat im Jahr etwa 600 000 Euro ausgibt. Ein Team von vier Leuten ist täglich unterwegs und kontrolliert kontinuierlich die Gehwege und Grünstreifen im ganzen Stadtgebiet. Fahrradständer etwa am Marienplatz, den Universitäten oder dem Sendlinger Tor sieht sich das Team zweimal im Jahr an.

Besonders verwahrloste Fahrräder bekommen eine rote Banderole. Darauf steht, dass das Rad vier Wochen später entfernt werden soll. Bei der Entscheidung, welches Rad sie markieren, "geht es ums Gesamtbild", sagt Wolfgang Großmann. Rost, ein vermüllter Korb und Spinnweben sind Indizien, dass niemand mehr Interesse am Fahrrad habe. Wenn vier Wochen später die Banderole unversehrt ist, wird das Fahrrad mitgenommen. Wenn es sein muss, knackt das Team das Schloss.

In München gibt es 35 000 Fahrradständer

Etwa 35 000 öffentliche Fahrradständer gibt es in der Stadt. Nicht genug, findet Martina Tollkühn vom Fahrradclub ADFC. Die Arbeit der Park & Ride GmbH hält sie für sehr wichtig, denn "viele Schrotträder blockieren die wenigen Abstellplätze". Es gebe nicht nur zu wenig Anlagen, wo man sein Rad sicher abschließen könne, die Abholaktionen müssten auch öfter stattfinden.

Denn der Nachschub an kaputten Rädern reißt nicht ab. Für Wolfang Großmann sind sie geradezu ein "nachwachsender Rohstoff". 10 726 Banderolen hat das Team im vergangenen Jahr verteilt, 5063 Fahrräder wurden weggebracht. Sie kommen auf einen von drei Sammelplätzen und stehen dort zwei Monate lang, für den Fall, dass sich doch noch ein Besitzer meldet. Wer sein Fahrrad vermisst und dort vermutet, kann auf der Website radlramadama.de ein Formular ausfüllen und möglichst genau angeben, wie das Rad aussieht und wo es abgestellt war. Wer den Schlüssel oder die Zahlenkombination des Schlosses parat hat, erhält das Fahrrad kostenlos zurück.

Aber das komme selten vor, sagt Großmann. Nur 40 Menschen hätten im vergangenen Jahr ihre Fahrräder abgeholt. Insgesamt 2500 Fahrräder werden im Moment zwischengelagert, die drei Sammelstellen seien ziemlich voll, sagt Großmann. Karitative Einrichtungen erhalten kostenlos Fahrräder von den Sammelplätzen. Die übrigen Fahrradwracks kommen in die Schrottpresse. Großmann freut sich über jedes Rad, das in Werkstätten repariert und verkauft wird: "Es ist schön, wenn Fahrräder wieder in den Kreislauf zurückfinden."

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