Süddeutsche Zeitung

Münchner S-Bahn:Flickschusterei statt einer Vision

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In Zeiten der Klimadebatte sollte kräftig in die S-Bahn investiert werden. Doch das Netz wurde nie so weitergebaut, wie es notwendig gewesen wäre.

Kommentar von Dominik Hutter

Bei einem 3,8-Milliarden-Projekt, das sollte Konsens sein, muss man das Beste herausholen. Und das Beste ist nun einmal das, was für die Fahrgäste am attraktivsten ist - also ein Zehn-Minuten-Takt. Es gibt eine Faustregel im Nahverkehr, die besagt, dass bei Zugabständen von zehn Minuten oder kürzer die Leute nicht mehr auf Fahrpläne achten, sondern einfach auf gut Glück zur Station gehen.

So muss es auch bei der Münchner S-Bahn laufen. Denn schließlich will man mit einem Ausbau ja auch zusätzliche Fahrgäste anlocken, die jetzt noch Auto fahren. Man kann Programme zur Förderung der Elektromobilität auflegen und auf elektrisch angetriebene Spielzeugroller setzen - ein gut ausgebauter Nahverkehr wird immer die sinnvollere, weil ökologischere Lösung sein. Weshalb gerade in Zeiten der Klimadebatte kräftig in die S-Bahn investiert werden sollte.

Ein Gutteil der Münchner Verkehrsprobleme, der zugestaute Mittlere Ring lässt grüßen, ist auf den Pendlerverkehr aus dem Umland zurückzuführen. Genau dafür bietet die S-Bahn die beste Lösung.

Nicht zu übersehen ist, dass für die Münchner S-Bahn eine langfristige Vision fehlt. Ein Ausbauprogramm auch jenseits des zweiten Tunnels. Im Paket zweite Stammstrecke sind diverse Verbesserungen auch an den Außenästen enthalten. Das ist löblich. Nur: Vieles ist eben doch Flickschusterei, weil das 1972 so ehrgeizig eingeführte S-Bahn-System in den darauffolgenden Jahrzehnten nie so weitergebaut wurde, wie es notwendig gewesen wäre.

Natürlich wären separate S-Bahn-Schienen im Großteil des Netzes ein hilfreicher Ansatz gegen Verspätungen, die ja oft mit den auf denselben Gleisen verkehrenden Personen- und Güterzügen zu tun haben. Warum nimmt man dieses Ziel nicht endlich auf die Agenda?

Entschlossen anpacken sollte der Freistaat auch die Prüfungen für einen S-Bahn-Betrieb auf dem Nord- und Südring. Dazu braucht es zunächst belastbare Fahrgastprognosen - damit man weiß, ob sich ein weiteres Nachdenken in diese Richtung lohnt. Und falls die Ergebnisse positiv sind, muss man rasch loslegen. Das ist praktizierter Klimaschutz.

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Quelle:
SZ vom 03.09.2019
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