Süddeutsche Zeitung

Menterschwaige:Hier hätte sich wohl auch die Geliebte von König Ludwig I. wohlgefühlt

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Die Menterschwaige in Harlaching bietet meist köstliche Speisen zu nicht ganz günstigen Preisen.

Von Johanna N. Hummel

Johann Peter Gaigl hatte eine beträchtliche Unternehmerbegabung. Kaum hatte er sich als Wirt im Menterbräu in der Rosenstraße etabliert, kaufte er 1807 die alte Schwaige Harthausen am Isarhochufer. Gaigl baute die Gaststätte aus und nannte sie mit viel Gespür für Synergieeffekte wie seine Altstadt-Wirtschaft Menter, was sich als ziemlich nachhaltig erwies. In die Menterschwaige zog es Bürger und König, Ludwig I. liebte die Künstlerfeste. Heute heißt die ganze Gegend so, der Biergarten soll der schönste von München sein.

Nun lassen sich dergleichen Superlative nicht überprüfen, auch wenn der Biergarten ausnehmend schön ist. Im alten Kastanienwald, hoch wie ein Dom, stehen Bänke und Tische weit voneinander entfernt, 2500 Menschen sollen hier Platz haben, kaum zu glauben. Den Lärm scheinen die Baumkronen zu schlucken, selbst den der Kinder auf dem üppigen Spielplatz mit hölzernem Piratenschiff. Das Bier kommt vom Löwenbräu (die Mass für 8,30 Euro), und an diversen Holzhütten wird Biergartenkost de luxe angeboten, wobei auch die Preise im Gutshof eher de luxe sind und das nicht nur im Biergarten. Das halbe Landhendl kam frisch vom Grill und war saftig, die südliche Gemüsepfanne angenehm (8,80 und 3 Euro). Mit dem faden Wurstsalat im Weckglas konnten wir uns nicht recht anfreunden, und der Waldorfsalat mit Räucherlachs war in fetter Mayonnaise abgetaucht (6,80 und 8,20).

Den denkmalgeschützten Gutshof hat das Wirtsehepaar Christoph und Johanna Schottenhamel 2011 behutsam und edel renoviert, entstanden ist neben dem grünen Innenhof auch eine hölzerne Terras-se. Das Restaurant liegt im ehemaligen Stall mit prächtigem Kreuzgewölbe, an den Wänden hängen Schwarz-Weiß-Fotos und Hirschgeweih. Kein Kitsch, kein Zier-rat und gutes Licht über den Tischen.

Die Bedienungen waren präsent, schnell und witzig. An einem Abend lief jedoch einiges schief: Erst fehlte die Reservierung, dann ein Glas, dann eine Serviette und dann wurde der falsche Wein gebracht. "Ach", sagte der Kellner, "heute ist es wie montags, wo nichts klappt." Wer wollte da nicht verzeihen.

Die kleine Speisenkarte hatte sich in den vergangenen Monaten nie verändert. Nur die Mittagskarte bietet an Werktagen drei wechselnde Gerichte, die Schweinshaxe in Dunkelbiersauce schmeckte ordentlich, der feinsäuerliche Kartoffel-Gurkensalat dazu war mit knusprigen Kartoffelchips dekoriert, was sich gut machte (mit gemischtem Salat und Getränk 14,50). Verändert hat sich vor Kurzem aber die umfangreiche Weinkarte - und zwar nicht allein durch neue Weine: Als reichlich ungenaue Mengenangabe gilt jetzt Glas und Flasche. Unter den Offenen waren der Grüne Veltliner brav, der Lugana angenehm, ebenso die rote Cuvée Poggio ai Ginepri (circa 0,2 Liter 8 bis 10 Euro).

Für ein paar Monate, bis Ende Juli, war als kulinarischer Berater Christoph Mezger in die Menterschwaige eingezogen, viele Jahre Küchenchef in Münchens bestem vegetarischen Restaurant Tian. Mezgers Kochschule, ein wenig international, ein wenig bayerisch, hat den Gutshof zweifellos geprägt, vor allem bei den Vorspeisen. Den Avocadostampf bedeckten eingelegte Tomaten und Paprika, Kartoffelchips und Rote-Beete-Würfel, mit jedem Bissen wurden Geschmacks-Überraschungen geboten. Das fein gewürzte Tatar vom gebeizten Saibling umgaben säuerlich eingelegte Pfifferlinge und eine kräftige Petersilien-Tapioka-Sauce (10 und 17). Bei der Pfannkuchensuppe (7) jedoch war dem Koch das Salzfass ausgekommen, sie war nicht zu essen, wurde still abgetragen und tauchte auf der Rechnung nicht auf.

Eine solche Panne blieb die Ausnahme, schon gar beim Meeresgetier. Die gebratenen, intensiven Garnelen, leicht mit Curry bestäubt, passten schön zu gerösteter Polenta und Wildbrokkoli. Perfekt gebraten war auch das Saiblingsfilet, das Fleisch glänzte wie im Bilderbuch. Die Belugalinsen dazu waren mit Salbei und gebratener Ananas versetzt, was sich gut mit den Linsen vertrug (18 und 23). Und der cremige Basilikum-Risotto, bestreut mit gerösteten Haselnüssen, angereichert mit einer Kugel Büffelmozzarella, war ein Kotau vor Vegetariern (21).

Beim Fleisch aber kam die Küche bisweilen vom Kurs ab. Am wenigsten zu meckern gab es an der rosa gebratenen Kalbsleber mit feinem Selleriepüree und etwas süßem Apfeljus. Nur die sperrigen Zwiebeln aus der Fritteuse störten. Das Viertel Ente war zart, die Haut knusprig, doch die zwei niedlichen Kartoffelknödel lösten sich sofort in der intensiven Sauce auf, dazu gab es pappsüßes Blaukraut. Und beim Wiener Schnitzel mit bleichen, ungewürzten Bratkartoffeln war die Panade doch recht batzig (24 bis 27).

Zufall? Kochen können sie ja eigentlich im Gutshof, auch den karamellisierten Kaiserschmarrn. Die Valrhona Mousse mit Eispralinen und Aprikosen hätte vielleicht sogar der Geliebten von Ludwig I., Lola Montez, gefallen (14 und 12). Vermutlich war die Montez nie im Gutshof oder im benachbarten Salettl, auch wenn sich die Mär vom königlichen Liebesnest bis heute hält. Die Menterschwaige ist eben ein märchenhafter Ort.

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Quelle:
SZ vom 29.08.2019
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