Süddeutsche Zeitung

Pfälzer Weinstube:Ein gastronomischer Fels in der Brandung

Lesezeit: 3 min

Wenn alles im Wandel ist, bleibt sich die Pfälzer Weinstube in der Residenz treu: Auch nach dem Wiedereinzug hat sich an der Speise- und Weinkarte rein gar nichts geändert. Und das ist gut so.

Von Felix Mostrich

Für viele Weinliebhaber und Konzertbesucher dürfte es fast wie Weihnachten sein, dass ihr Stammlokal in der Residenz, auf das sie schmerzhaft lange verzichten mussten, endlich wieder geöffnet ist, ja nach gründlichen Sanierungsarbeiten immer noch genau so aussieht und genau so riecht, wie sie es in Erinnerung haben. Die weihnächtliche Bescherung geht sogar noch weiter: Auch die Weinkarten sind immer noch die gleichen wie vor zweieinhalb Jahren. Ihre Kunstlederhaut fühlt sich vertrauenerweckend speckig an. Schlägt man sie aber auf, wird man direkt in die Vergangenheit zurückkatapultiert.

Die in der Karte aufgeführten Weine stammen zwar nur zum kleinen Teil aus der Zeit vor dem Umbau, doch sie sind noch nach dem alten Nummernsystem geordnet. Bei den trockenen Weinen, deren Anteil erfreulich gewachsen ist, gibt es immer noch die rätselhaften Sondernummern 3a und 4a, unter denen jahrzehntelang die einzigen wirklich trockenen Weißweine verzeichnet waren, so als wären Weine, die nicht limonadensüß sind, eine Schande für die Pfalz und darum eine anständige Nummer nicht wert.

Heute bietet die Pfälzer Weinstube sieben trockene, und je drei liebliche und halbtrockene Weine zu teilweise konkurrenzlos günstigen Preisen offen an (ein ganzes Viertel kostet im Durchschnitt 4,50 Euro). Bei den trockenen kann man sogar bis in die oberste Qualitätsklasse vorstoßen. Die Riesling Spätlese vom Weingut August Ziegler in Maikammer bietet ein ganzes Bouquet feiner Geschmacksnoten, die sich um die charakteristische Herbheit des Rieslings gruppieren (hier kostet das Viertel 13 Euro).

Die Pfälzer Residenz-Weinstube wurde 1946, als die Pfalz per Verfassungsdekret von Bayern abgekoppelt und in das neue Bundesland Rheinland-Pfalz eingegliedert wurde, vom Landesverband der Pfälzer als Identifikationsort für die in Bayern verbliebenen Landsleute und als Pflegestätte für die kulinarischen Traditionen der Pfalz in den gewölbten Erdgeschossräumen des im Jahr 1612 errichteten Kaiserhoftraktes der Residenz eingerichtet. Da dieses große Lokal nahe bei den wichtigsten Theatern und Konzertsälen der Stadt liegt, und da man dort nicht unbedingt speisen muss, sondern auch als Zecher willkommen ist, hat sich die "Resi", wie sie von Liebhabern gerne genannt wird, ins Kulturbewusstsein mehrerer Münchner Generationen eingeprägt.

So war es für die traditionsbewussten Betreiber des Lokals fast eine Selbstverständlichkeit, dass sie die Räumlichkeiten, die den Gästen ans Herz gewachsen waren, auch nach der Zwangsschließung - der Westflügel der Residenz musste von Grund auf saniert werden - im bewährten Zustand bewahrten. Der Denkmalschutz hätte ohnehin kaum Änderungen erlaubt. Dass die Wirtsleute aber auch die Speise- und die Weinkarte so behandelt haben, als stünden sie unter Denkmalschutz, wirkt dann doch ein wenig nostalgisch.

Alle Speisen, die zuvor auf der Karte standen, stehen jetzt in der gleichen Reihenfolge also wieder auf der Karte. Auch die Qualität ist weitgehend gleich geblieben. Im Daueransturm der Vorweihnachtszeit - von 17 Uhr an paradierten Scharen von platzsuchenden Gästen zwischen den vollbesetzten Tischen auf und ab - kamen gemeinsam bestellte Speisen in riesigem zeitlichem Abstand auf den Tisch. Und auf jedem Teller war eine der Beilagen, die heiß hätte sein sollen, nur lauwarm. Aber von diesen offensichtlichen Koordinationsschwierigkeiten der Küche abgesehen, war eigentlich alles, was dort zubereitet wurde, zu loben.

Der Saumagen, den Münchner gerne abfällig mit Helmut Kohl in Verbindung bringen, wird heute zwar ohne die umhüllende Schweinemagenhaut serviert, doch in allen Varianten - gesotten oder gebraten, mit Wildschweinfleisch oder mit Kastanien gefüllt - hat er die Mittester, die ihm begegnet sind, überzeugt (11,20). Das gerupfte Tatar vom Rind mit Sardellen, Kapern und Zwiebeln gehört immer noch zu den besten in der Stadt (15,80).

Von der Tageskarte haben die mit Flusskrebsschwänzen, Rotbarsch, Meeresfrüchten und Gemüse prunkende Fischsuppe (7,80), der mit Ziegenkäse delikat gefüllte Hackbraten und das verblüffend mürbe Beinfleisch mit Meerrettich und Kartoffel-Gurkensalat (12,50) jeweils ein kräftig zustimmendes Nicken bei den Mitgenießern ausgelöst. Zu loben ist auch, dass das Lokal, das in einem der schönsten Gewölberäume Deutschlands untergebracht ist, sich mit den aus der Pfalz importierten Wurstwaren und Käsesorten auch weiterhin als einfache Weinstube bewährt, also einer Tradition treu bleibt, die überall in Deutschland gefährdet ist.

Adresse: Residenzstraße 1, 80333 München, 089/225628, Öffnungszeiten: Täglich 10.30 bis 0.30 Uhr, info@pfaelzerweinstube.de

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Quelle:
SZ vom 24.12.2019
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