Süddeutsche Zeitung

Prozess vor dem Landgericht:Frau von herabstürzendem Kaminkehrer verletzt

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Der Mann fiel aus mehreren Metern Höhe von seiner Leiter - direkt auf die Klägerin. Zweimal musste sie daraufhin operiert werden, Schmerzen hat sie bis heute. Doch nun ist sie vor Gericht gescheitert.

Von Stephan Handel

Kaminkehrer sollen ja Glück bringen - weil sie dafür sorgen, dass Schornsteine frei sind, was vor Bränden schützt. Zweifach Pech mit dem schwarzen Mann hatte allerdings eine Frau, deren Klage nun vor dem Landgericht verhandelt wurde: Zuerst wurde sie durch einen Schornsteinfeger schwer verletzt. Und dann wurde auch noch ihre Klage auf Schmerzensgeld und Schadenersatz abgewiesen.

Im Februar 2018 stand im Haus der Klägerin und ihres Mannes die Kaminreinigung an. Dazu erschien ein Angestellter des zuständigen Bezirksschornsteinfegers. Der Zugang zum Kamin lag innerhalb des Hauses und war nur über eine dreigelenkige Leiter erreichbar. Diese hatte der Ehemann schon vorbereitet und aufgestellt. Der Ruß-Spezialist rüttelte mehrmals an der Leiter und ließ sie gegen den Boden knallen, um zu überprüfen, ob die Gelenke richtig eingerastet waren. Außerdem setzte er sie unten ein Stück zurück, um einen besseren Einstiegswinkel zu haben. Dann stieg er auf.

Als er jedoch das Kamintürchen fast erreicht hatte, knickte die Leiter ein, der Kaminkehrer stürzte ab und fiel aus mehreren Metern Höhe - auf die Klägerin, die sich dabei schwer verletzte: Ein Bruch eines Lendenwirbels, sie musste zwei Mal operiert werden, ein künstlicher Wirbelkörper wurde mit sechs Schrauben an den benachbarten Wirbeln befestigt. Zwei Wochen lag sie im Krankenhaus, Schmerzen hat sie bis heute.

Die Klage richtete sich gegen den Bezirksschornsteinfeger und seinen Chef, den fallenden Kaminkehrer: Als Fachmann hätte dieser überprüfen müssen, ob die Leiter sicher stand, und er hätte beim Aufstieg die nötige Sorgfalt walten lassen müssen. Die eingeklagte Summe ist beträchtlich - Schmerzensgeld, Schadenersatz, Behandlungs- und Anwaltskosten sowie eine lebenslange Rente wegen angeblicher dauernder Minderung der Erwerbsfähigkeit addieren sich zu einer Forderung in Höhe von mehr als 275 000 Euro.

Die beiden Kaminkehrer äußerten sich dazu nur knapp: Der Unfall sei geschehen, weil die Leiter entweder fehlerhaft war oder weil der Ehemann sie fehlerhaft aufgestellt hatte. Dass der Fall vor der Amtshaftungskammer des Landgerichts verhandelt wurde, zeigte eine juristische Schwierigkeit: Schornsteinfeger arbeiten im Auftrag des Staats, auch wenn sie selbst von ihrer jeweiligen "Kundschaft" bezahlt werden. Da schob das Landgericht aber gleich einen Riegel vor: Für diese so genannten "Gebührenbeamten" haftet der Staat nicht, so steht es im Schornsteinfeger-Gesetz.

So hätte dem Kaminkehrer eine Amtspflichtverletzung nachgewiesen werden müssen, damit er hätte haften müssen. Das sah das Gericht aber nicht - im Urteil steht, zu seiner Glaubwürdigkeit bei der Anhörung habe auch beigetragen, dass er angab, noch während des Sturzes habe er befürchtet, die unten stehende Frau mit seinen Putzutensilien zu verletzen. Zudem habe es ja im eigenen Interesse des Beklagten gelegen, mit Sorgfalt und ohne Leichtsinn auf die Leiter zu steigen: Schließlich habe er das Absturz-Risiko getragen.

So wurde die Klage schließlich vom Landgericht abgewiesen, ein Fall, in dem zwei Schornsteinfeger tatsächlich einmal Glück gebracht haben, und zwar sich selbst.

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Quelle:
SZ vom 12.08.2021
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