Süddeutsche Zeitung

Nachruf auf Promi-Friseur Gerhard Meir:Der Figaro von Monaco

Lesezeit: 3 min

Wilde Schnitte, wildes Leben: Gerhard Meir wurde 1986 schlagartig zu einer Münchner Figur und essentieller Teil der Glamour-Gesellschaft. Er schnitt Claudia Schiffer oder Cindy Crawford die Haare. Nun ist er mit 65 Jahren gestorben.

Von Philipp Crone

Diese Haare, dieser Look! Und das bei einer Prinzessin! Wer war denn das? In kürzester Zeit war der Mann, der Hand und Schere angelegt hatte, auch außerhalb Münchens bekannt. Gerhard Meir, Friseur, der Gloria Prinzessin von Thurn und Taxis 1986 Frisuren modellierte, die man so und an so jemandem noch nie gesehen hatte. Den langen Schopf zu einem senkrecht aufgestellten Turm. Oder einzelne Strähnen wie brechende Wellen, die rund um den Kopf abstehen. Und dann eine Hochadelige, deren Augen vor Kajalrand im punktweiß gecremten Gesicht wie kleine Blitze rausstechen. Diese Symbiose, aus einer jungen Frau aus gutem Haus, die ausbrechen wollte, und einem jungen Mann, der gesehen werden wollte und neue, aufregende Frisuren erschuf, sie funktionierte über Nacht. Für Meir der Start in ein Leben, das er genau so unbedingt brauchte.

Zunächst war Meir in den Siebzigerjahren noch angestellt, "er galt als Geheimtipp für junge Frauen", sagt die frühere Bunte-Chefredakteurin Patricia Riekel, die ihn 45 Jahre kannte. Er hat Riekel eine Hochzeitsfrisur modelliert, dass ihre eigene Mutter sie daheim erst nicht erkannte. Meir habe früh erkannt, sagt sie, was für seinen Beruf wichtig ist: eine gute Geschichte zu erzählen. Seine war die vom blonden Schlaks, der die gefeierte Gloria frisierte, mit allen glitzernden Menschen der Stadt zu tun hatte, einem eine garantiert markante Frisur schneiden würde und trotzdem mit echtem Interesse fragte, wie es einem geht. Der aber auch im Laufe seines Lebens immer wieder Rückschläge überstand.

Er war zwei verschiedene Personen, sagt Riekel. "Auf der einen Seite waren ihm die eigene Prominenz und die Prominenten sehr wichtig, er stand gerne im Scheinwerferlicht." Und das Scheinwerferlicht fiel auf ihn, weil er gerne und viel sprach, auch mal Gefühle zeigte. Gleichzeitig sei er aber auf eine Art auch immer bescheiden und bodenständig gewesen, habe beim Schneiden keinen Unterschied gemacht zwischen einem Filmstar und einer Kundin, die er noch von früher kannte. Und alles machte er immer mit einer fast unheimlichen Energie. Marie Waldburg (der Meir selbstverständlich auch die Hochzeitsfrisur modellierte), lange Gesellschaftsreporterin der Abendzeitung und später von Bunte, sagt: "Der hat von beiden Enden her gebrannt." Schneiden, schneiden, schneiden - und dann in der Gesellschaft unterwegs. "Er wurde als erster Friseur auch immer zu den privaten Feiern eingeladen", sagt Waldburg, was nicht nur an seiner Schneidekunst lag, sondern auch daran, dass er als Vielleser und Kulturkenner ein spannender Gesprächspartner war.

Ein Vorzeige-Schickerianer also, wild, ausgeflippt und mit einem Sendungsbedürfnis, das die Spezies der Gesellschaftsreporter zum Juchzen brachte. Und dabei als Figur so interessant und charmant, das er zu jeglichen Festen eingeladen war. Dieser schmale Mann aus einem Dorf im Josefstal zwischen Schlier- und Spitzingsee, wo er als zweites von fünf Geschwistern aufwuchs. Sein Vater starb, als Meir elf Jahre alt war, bei einem Autounfall, der Sohn saß mit im Wagen. Bis zuletzt hatte Meir keinen Führerschein und auch kein Auto.

Meir schnitt jahrzehntelang fast täglich, schonungslos zu sich selbst "Er hat dabei immer ein bisschen zu schnell gesprochen und dann hieß es: Kopf hoch, Kopf runter, das war kein Spa-Gefühl", sagt Riekel. Aber das Gefühl, bei etwas Besonderem dabei zu sein. Zunächst in der Adalbertstraße, dann zur Hochzeit im Preysing-Palais an der Feldherrnhalle, bis 2010 am Promenadeplatz. Seinen letzten Salon eröffnete Meir vor vier Jahren in der Ludwigstraße. Ein Besessener, der nur mit der Schere in der Hand ein klein wenig zur Ruhe kam, und dabei Geschichten und Frisuren für die Klatschmagazine lieferte, die seine Kunden bei ihm lasen. "Er hat sich verausgabt", sagt Riekel.

Ein Tumor schon mit 31, im Jahr 2009 ein Aneurysma, ein Schlaganfall 2010, nach dem er wieder neu laufen und sprechen lernen musste, wie er einmal in einem Interview sagte, 2018 wieder ein Schwächeanfall. Zuletzt hatte er immerhin seinen Zigarettenkonsum von 40 auf nur noch drei Stück pro Tag runtergedimmt. Ob "Star-Figaro" oder "Keine Feier ohne Meir", der Mann war eine Institution zu den Hochzeiten der Schickeria, der viel erzählte, aber trotzdem diskret war.

Meir schnitt Claudia Schiffer oder Cindy Crawford die Haare, nur Männern fast nie. Da falle ihm nichts ein, sagte er einmal. Meir eröffnete Salons in Berlin oder Hamburg, fuhr dazwischen hin und her, flog mal schnell in die USA und feierte am Wochenende auf Sylt. Er schrieb Zeitungskolumnen und Bücher. Mit Finanzen kannte er sich allerdings nicht so gut aus wie mit Frisuren, die Läden in Hamburg und Berlin musste er schließen, hatte zwischenzeitlich Schulden. Erstmals ganz selbständig war er nur an seiner letzten Station.

Meir war immer mal wieder auch mit Friseurkollegen liiert, lebte aber zuletzt alleine. Marie Waldburg feierte noch am 4. August seinen Geburtstag mit ihm, "er hatte noch immer sehr viele Pläne". An diesem Freitag wurde der 65-Jährige in seiner Wohnung tot aufgefunden. Am Tag zuvor war er laut seiner Managerin noch in seinem Salon.

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