Süddeutsche Zeitung

Opposition im Rathaus:Gegner mit Leidenschaft

Lesezeit: 3 min

Die Oppositionsparteien im Münchner Rathaus konnten vor allem bei ökologischen Themen Akzente setzen.

Von Dominik Hutter

Einfach ist es nicht, wenn man sich nach 24 Jahren Mitregierung in der Opposition wiederfindet. Den Grünen ist das passiert - 2014, mit einem eigentlich guten Wahlergebnis und einer Wahlempfehlung für den SPD-Kandidaten Dieter Reiter im Rücken. Entsprechend schwer getan haben sich die 13 grünen Stadträte, die mit Thomas Niederbühl von der Rosa Liste eine gemeinsame Fraktion bilden. Vor allem am Anfang, wenn man jederzeit sagen kann: Warum habt ihr das, was ihr jetzt kritisiert, nicht selbst gemacht, als ihr noch in Regierungsverantwortung wart? Dieser Vorwurf prägt viele Rathausdebatten bis heute. Klar ist aber auch: Die Grünen haben nach Anlaufschwierigkeiten ihre Oppositionsrolle gefunden.

Oppositionsführer zu sein, ist eine verantwortungsvolle Aufgabe - zumal in Zeiten einer großen Koalition, wenn die Mehrheiten sehr eindeutig sind. Die Grünen bilden unter den Nicht-Regierenden im Münchner Rathaus die mit Abstand größte

Gruppe, und niemand kann ihnen mangelndes Engagement vorwerfen. Als die SPD in der Verkehrspolitik noch sehr viel abwägender war als derzeit, bildeten die Grünen die Speerspitze für die sogenannte ökologische Verkehrswende. Auch wenn sie immer mal wieder Gefahr liefen, aus dem ja durchaus sinnvollen Verkehrsmittel Fahrrad eine Art goldenes Kalb zu konstruieren. Was Mieten, Soziales und Bildung angeht, sind sie nicht weit entfernt von den Sozialdemokraten - es gibt nach wie vor viele Anhänger eines rot-grünen oder grün-roten Bündnisses.

Aber die Grünen sind auch selbst schon in die Abwägungs-Falle getappt. Weil sie in der Debatte um das Kohlekraftwerk im Münchner Norden weniger radikal als die ÖDP agierten, überließen sie der orangefarbenen Konkurrenz die Meinungsführerschaft in Sachen Kohleausstieg. So geht es derzeit vielen Parteien, die abwägend-kompromissbereit agieren, das Polarisierende fällt einfach mehr auf. Auch beim Radl-Bürgerentscheid und bei "Sauba sog i" wirkten die Grünen eher wie Mitwirkende denn als treibende Kraft. Im Rathaus-Alltag hängen sie die Öko-Konkurrenz jedoch durch ihre Themen-Vielfalt ab, sie sind sozusagen die "Vollsortimenter".

Auch der ÖDP kann man nicht nachsagen, sie sei nicht mit Feuereifer bei der Sache. Vor allem der langjährige Stadtrat Tobias Ruff liefert immer wieder fundierte Beiträge, und das in zumeist eher unaufgeregter Art und Weise. Zu seinen Sternstunden in der laufenden Amtsperiode zählt eine fürwahr ekelerregende Schilderung der Wasserqualität der Isar - an jenem Tag, als die auch im Stadtrat vertretene Fangemeinde eines Flussbads demonstrativ und öffentlichkeitswirksam in die Fluten gesprungen war.

Schon beinahe zum Inventar des Rathauses zählt Brigitte Wolf von den Linken. Die Informatikerin ist stets gut auf die Sitzungen vorbereitet und liefert zu sehr vielen Themen Diskussionsbeiträge. Sie wird als Kollegin auch von denen geschätzt, die weit von der politischen Haltung der typischen Münchner Altlinken entfernt sind. Ihr Kompagnon Četin Oraner trat hingegen allenfalls partiell in Erscheinung. Dann aber sprach er engagiert und sachlich - den anfänglichen Ruf, eher radikale Ansichten zu vertreten, schüttelte er erfolgreich ab. Die Linken stellten ihn trotzdem nicht mehr auf, sie haben sich (mit Ausnahme Wolfs) neu formiert.

Immer für eine ungewöhnliche, aber durchaus nachvollziehbar begründete Haltung gut ist die FDP - auch wenn ihr Frontmann Michael Mattar schon einmal streitlustiger agierte als in den vergangenen Monaten. Der aktuelle OB-Kandidat Jörg Hoffmann spricht gerne am Mikrofon, kümmert sich um Finanzpolitik und liberale Positionen im klassischen Sinne. Letzteres gilt für die gesamte Fraktion - die seit der Thüringen-Wahl schwelende Debatte über die Rechtslastigkeit der FDP wäre bei Münchens Rathaus-Liberalen eine Themaverfehlung. Die FDP wagte in der laufenden Amtszeit ein sehr ungewöhnliches Bündnis: mit den Piraten und mit der Wählergruppe Hut. Den Piraten Thomas Ranft nahm sie später in die eigene Partei auf.

Aus eins mach sechs lautete das Motto der Bayernpartei. Saß nach der Wahl 2014 der humorvolle Ober-Bayer Richard Progl noch als Einzelkämpfer im Sitzungssaal, entwickelte sich die im Kern separatistische Partei zum Sammelbecken von Unzufriedenen anderer Gruppierungen - und wuchs auf sechs Mitglieder an. Der erfahrene Fraktionsvorsitzende Johann Altmann (einst Freie Wähler, davor CSU) vertritt am Mikrofon überwiegend bürgerlich-konservative Positionen. Insgesamt ist die Bayernpartei vor allem eine "Das haben wir ja noch nie so gemacht"-Fraktion, ein Lobbyist des gemütlich Bewahrenden. Geht es um die verhasste Elektromobilität oder um Fahrradfahrer, läuft Progl am Rednerpult rot an.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4807552
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 21.02.2020
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.