Süddeutsche Zeitung

München:Passanten stören immer öfter Polizeieinsätze

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Von Susi Wimmer, München

Es war wieder nachts, am Wochenende, im Tunnel, der die Discos auf dem Optimolgelände mit dem Ostbahnhof verbindet. Die Bundespolizisten waren wegen einer Körperverletzung gerufen worden. Ein Opfer lag blutend am Boden, der betrunkene Täter stand gegenüber und wurde bereits von Polizeikollegen festgehalten. Rund um die Szenerie: aufgeheiztes Partyvolk. "Eine schwierige Situation für die Einsatzkräfte", sagt Bundespolizei-Sprecher Wolfgang Hauner. Aber nicht etwa wegen der Körperverletzung. Sondern wegen der Passanten. Sie pöbelten die Einsatzkräfte an, stellten sich ihnen in den Weg, einer attackierte sogar einen Polizisten. "Diese Respektlosigkeit und Gewaltbereitschaft nimmt Tag für Tag zu", sagt Hauner.

Die Bundespolizei am Hauptbahnhof ist unter anderem für die großen Bahnhöfe zuständig. Und da tummeln sich jedes Wochenende schon von Donnerstagabend an die Partygänger, junge Leute, die die Nacht zum Tag machen. "Bei gut 80 Prozent der Straftaten, zu denen wir gerufen werden, ist Alkohol im Spiel", erzählt Hauner. Und der enthemmt bekanntermaßen, immer häufiger auch gegenüber den Ordnungshütern.

"Du hast mir gar nichts zu sagen" oder "Ich bezahl' dich doch" sind Sprüche, die die Beamten regelmäßig zu hören bekommen. Sie werden geduzt und angepöbelt. "In der Gruppe sind die Betrunkenen natürlich noch enthemmter, sie fühlen sich sicher oder wollen vor den anderen angeben", sagt Hauner. Speziell am Ostbahnhof komme noch hinzu, dass sich dort im dunklen Tunnel die Pöbler noch stärker fühlen.

Dass Unbeteiligte Polizeieinsätze stören, ist aber beileibe kein Ostbahnhof-Problem. "Das passiert im Sommer auch am Gärtnerplatz, in den Isarauen oder vor einem In-Café, in dem sich gerade viele Leute aufhalten", weiß auch der Sprecher des Münchner Polizeipräsidiums, Marcus Da Gloria Martins. Auch hier gilt die Mischung: Wochenende, Nacht, Alkohol. Egal, ob es um eine Kontrolle geht, ob die Beamten gerade einen mutmaßlichen Dieb oder Schläger festnehmen, die Außenstehenden mischen sich ein. "Da wird regelmäßig Polizeiwillkür unterstellt", sagt Martins. Der Standardsatz "bitte gehen Sie weiter, hier hat alles seine Ordnung, wir sind wegen dem Herrn gerufen worden" fruchte rein gar nicht.

Mit Bodycam im Einsatz - zum Schutz der Beamten

Aus der Masse heraus werde gehetzt, die Beamten würden angetippt, es werde an der Uniform gezupft und ihnen der Weg verstellt. "Für die Kollegen ist das ein Eiertanz, die Einsatzmaßnahmen zu treffen, Ruhe zu bewahren und auch noch auf die Eigensicherung in der Menge zu achten." Und vor einer Gruppe von Betrunkenen nutze es auch nichts mehr, die Leute zum Weitergehen zu bewegen.

Vergangenes Wochenende mussten das auch die Kollegen von der Bundespolizei wieder feststellen. Im Restaurant Rubenbauer am Hauptbahnhof war gegen 7.30 Uhr eine größere Gruppe Betrunkener eingefallen und verhielt sich laut und aggressiv. Der Filialleiter forderte sie auf zu gehen, doch das ignorierten sie. Auch die Streife der Bundespolizei erreichte nichts. Die Beamten forderten Verstärkung an, die Lage wurde immer angespannter. Schaulustige mischten sich ein, versperrten den Polizisten den Weg und heizten so die Randalierer noch mehr an.

Als die Beamten zwei Männer mit auf die Wache nehmen wollten, wurden diese handgreiflich. Und immer mit dabei: Passanten, die die Handys hochhalten, fotografieren oder filmen. "Das Filmen ist ja erlaubt, es darf nur nicht ins Netz gestellt werden. Das Recht am Bild hat der Polizeibeamte", sagt Hauner. Und trotzdem landen Filme im Internet. Inzwischen testet die Bundespolizei sogenannte Bodycams an ihren Jacken, die das Geschehen filmen. Sie sollen unter anderem den Beamten ein sichereres Gefühl geben.

Das Phänomen des Einmischens erlebten die Bundespolizisten auch ganz massiv, als vergangenen Sommer immer mehr Flüchtlinge am Münchner Hauptbahnhof ankamen und von den Beamten zur Registrierung gebracht werden mussten. Da habe es Kommentare gehagelt wie "lassen Sie doch diese Leute in Ruhe" oder "jetzt geht die Deportation wieder los". Passanten filmten den ganzen Weg vom Bahnsteig bis hin zur Wache mit und bedrängten die Beamten. "Erfahrene Beamte kennen mittlerweile die Einsätze, die wegen Schaulustiger kritisch werden könnten, und fordern gleich Verstärkung an", erzählt Martins vom Münchner Präsidium. Das heißt: mehr Beamte nicht wegen des Delikts, sondern aufgrund der Schaulustigen.

Früher, sagt Wolfgang Hauner von der Bundespolizei, habe es Vergleichbares nur in Einzelfällen gegeben. Bei Castor-Transporten etwa hat er es miterlebt. Heute sei die Gesellschaft zum Teil offenbar immer weniger bereit, sich an Regeln zu halten. "Und manch einer glaubt ja wirklich, mit dem Einmischen etwas Gutes zu tun", sagt Martins vom Münchner Präsidium. Er schickt einen "ganz klaren Appell" an die Bevölkerung: "Wenn wir im öffentlichen Raum Kontrollen oder Festnahmen tätigen, dann hat das schon seine Richtigkeit. Jede Einmischung ist da einfach fehl am Platz."

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Quelle:
SZ vom 11.03.2016
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