Süddeutsche Zeitung

Erinnerungen der Leser:"Schau, dassd verschwindst, hinter dir steht a Terrorist"

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Was von den Spielen hängen blieb: Blicke in den Lauf von Maschinengewehren und Hubschrauber im Tiefflug.

Als Chef de Mission von Dahomey hatte ich eine sehr schöne Maisonette-Wohnung in direkter Nachbarschaft der Israelis. Am frühen Morgen hörte ich irgendwelche Geräusche, aber ich dachte mir nichts dabei. Gegen sieben Uhr wollte ich in die Stadt fahren, etwas erledigen. Ich ging die Treppe runter und durch die Tür zur Tiefgarage - und schaute in den Lauf einer Maschinenpistole. Vor mir stand ein Polizist, der auf Bairisch zu mir sagte: "Schau, dassd verschwindst, hinter dir steht a Terrorist." Und dann drehte ich mich um und zwei Meter hinter mir stand ein Mann mit schwarzer Sturmhaube, auch mit einem Maschinengewehr in der Hand. Er schwenkte seine Waffe, auf mich zielend, auf und ab und sagte: "Go, go!"

Günter Döbler, München

1972 leistete ich Grundwehrdienst in Leipheim. Eines Tages wurde gefragt, wer Interesse an einem Einsatz bei Olympia hätte. Ich meldete mich und wurde zum Fahrdienst für Sportfunktionäre abgestellt. Da ich über ordentliche Englischkenntnisse verfügte, wurde ich als Fahrer von Lord Rupert Nevill eingeteilt, Vorsitzender des Olympia-Komitees von Großbritannien. Am Tag des Attentats war ich unterwegs, um ihn vom Hotel abzuholen. Im Autoradio hörte ich von einer Geiselnahme durch Palästinenser und dachte zunächst an eine Flugzeugentführung irgendwo. Erst im weiteren Verlauf der Nachrichten wurde mir klar, dass es sich um einen Anschlag im Olympischen Dorf handelte.

Gerd Olbrich, Thannhausen

Ich hatte mit meiner Schwester Karten für die Leichtathletik. Als wir auf dem Gelände ankamen, hörten wir die Durchsage: "Aus aktuellem Anlass fallen die Olympischen Spiele heute aus." Wir waren ratlos, aber viel ratloser waren die ausländischen Gäste, denn die Durchsage war nur in Deutsch. Ich habe dann den Satz übersetzt, und wir waren plötzlich umringt von einer Traube von Menschen. Nach gefühlten zwei Stunden wurde es auch noch in Englisch durchgesagt.

Ulrike Geißler

1972 hatte ich Abitur gemacht und danach im Rettungsdienst Geld für das Studium verdient. Seit meinem 16. Lebensjahr war ich Mitglied beim Roten Kreuz in der Sanitätskolonne West 2 in Pasing. An jenem Morgen haben wir den Dienst in der Rettungswache in der Theodor-Storm-Straße begonnen - nichtsahnend. Den ganzen Tag verbrachten wir in unserem Rettungswagen dann vor der alten Sanitätsakademie Ecke Ackermann- und Schwere-Reiter-Straße. Filmisch eingebrannt haben sich überfüllte Straßenbahnen, aus denen Menschen quollen, die sich im Laufschritt ins Olympiagelände bewegten. Und Hubschrauber im Tiefflug über der Bahnlinie in Pasing bei Dienstende nach Einbruch der Nacht. Bis ich zu Fuß daheim ankam, war die Katastrophe in Fürstenfeldbruck schon geschehen.

Christoph Wonhas, München

Wir waren im Sommer mit unserer damals anderthalb Jahre alten Tochter im Urlaub in der Schweiz. Wir haben kein einziges Mal Radio gehört, Olympia hat uns nicht interessiert. Bei der Heimfahrt in unserem klapprigen 2CV kamen wir in der Nähe von Fürstenfeldbruck vorbei, nachts um elf Uhr. Plötzlich wurden wir gestoppt von zwei Polizisten mit Maschinengewehr im Anschlag - durchs offene Fenster auf uns und das schlafende Kind gerichtet. Der Schock war gewaltig! Wir haben dann zu Hause im Radio gehört, was los war; Fernsehen hatten wir nicht. Diese Nacht bleibt uns wohl ewig in Erinnerung!

Regine Hölzl, Wolfratshausen

Ich war damals von der Bayerischen Staatskanzlei engagiert, um Gäste der Bundesrepublik zu betreuen. Wir begleiteten sie zu verschiedenen Wettbewerben, inklusive Eröffnungs- und Abschlussfeier. Auf einen Gast hatte ich mich sehr gefreut, einen der bekanntesten US-Politiker des 20. Jahrhunderts: der in Fürth geborene Außenminister Henry Kissinger. Während er in der Luft auf dem Weg von Amerika war, wurde das schreckliche Attentat bekannt. Er, der Jude, der aus Deutschland vor den Nazis flüchten musste, drehte nach seiner Zwischenlandung in Frankfurt gleich wieder um. 1985 habe ich ihn dann doch noch kennengelernt. Ich durfte ihn für das deutsche Fernsehen interviewen.

Margit Reichelt-Jordan, München

Das Wetter vor 50 Jahren:

5. September: Tags 25 Grad, nachts 10 Grad

Nach Auflösung von vereinzeltem Frühnebel sonnig und heiter. Sonnenscheindauer: 11,3 Stunden.

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