Süddeutsche Zeitung

Jahrestag:"Sie fehlen der ganzen Stadt"

Lesezeit: 1 min

Am Olympia-Einkaufszentrum wird an das Attentat vor vier Jahren erinnert. Künftig benennt eine neue Inschrift am Denkmal die rassistische Gesinnung des Täters.

Von Julian Hans

Am vierten Jahrestag des Attentats am Olympia-Einkaufszentrum haben Angehörige der Opfer und Vertreter der Stadt am Mittwoch der Menschen gedacht, die ein 18-Jähriger am 22. Juli 2016 getötet oder verletzt hat. Künftig benennt eine neue Inschrift die ideologischen Hintergründe der Tat eindeutig: "In Erinnerung an alle Opfer des rassistischen Attentats vom 22.7.2016" steht nun auf dem zweieinhalb Meter hohen Edelstahlring mit den Porträts und den Namen der Getöteten.

Dem Verbrechen seien aufgrund der rassistischen Gesinnung des Attentäters ausschließlich Menschen aus Einwandererfamilien sowie Angehörige der Minderheit der Sinti und Roma zum Opfer gefallen, sagte Oberbürgermeister Dieter Reiter. "Als Menschen, die hier ihre Träume verfolgt und ihre Lebenspläne geschmiedet haben, waren sie die Zukunft dieser Stadt. Sie fehlen der ganzen Stadt."

Anfangs war die Tat in der Öffentlichkeit und auch auf der Inschrift als Amoklauf bezeichnet worden. Trotz vieler Hinweise auf die Gesinnung des Täters hatten die bayerischen Sicherheitsbehörden den Anschlag zunächst nicht als rassistisch motiviertes Verbrechen eingestuft. Gutachter, die die Stadt mit der Untersuchung der Motive beauftragt hatte, waren einmütig zu dem Ergebnis gekommen, dass der OEZ-Anschlag ein rechtsextremistisches und rassistisches Verbrechen war. Dass die bayerischen Sicherheitsbehörden sich drei Jahre später dieser Einschätzung anschlossen, sei auch der Beharrlichkeit der Betroffenen zu verdanken, die darauf in den vergangenen Jahren immer wieder gedrängt hätten, sagte Reiter.

Für die Münchner Stadtgesellschaft sei es von großer Bedeutung, die Tat als das zu benennen, was sie war: ein gezielter Angriff auf das bunte, vielfältige und tolerante München. "Es ist eine Zäsur wie das Oktoberfest-Attentat vor 40 Jahren und die Morde des NSU und hat wie sie in unserer Stadt tiefe Spuren hinterlassen. Insgesamt 23 Menschen wurden bei diesen Taten getötet - in keiner anderen bundesdeutschen Stadt sind so viele Opfer des rechten Terrors zu beklagen wie in München."

Die Skulptur "Für Euch" war am ersten Jahrestag des Anschlags eingeweiht worden. Die Künstlerin Elke Härtel hatte sie im Austausch mit den Angehörigen entwickelt. Die Änderung der Inschrift am Kunstwerk erfordert den Austausch eines größeren Teils der Metallkonstruktion. Sie soll bis zum Herbst abgeschlossen sein.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4975389
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 23.07.2020 / anh
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.