Süddeutsche Zeitung

Architektur:Das Dach so unruhig wie ein Hut beim Pferderennen

Lesezeit: 3 min

Im Bahnhofsviertel soll ein auffälliges Bürogebäude in Holz-Hybrid-Bauweise entstehen. Die Stadtgestaltungskommission beurteilt das Projekt an der Ecke Schwanthaler- und Goethestraße wohlwollend, hat aber kritische Anmerkungen.

Von Sebastian Krass

Eine Fassade wie aus vielen verglasten weißen Kästchen zusammengesetzt, die teils begrünt sind und ein Stück in den Straßenraum hineinragen. Dazu kommen Holzelemente, die die CO₂-Bilanz des Neubaus verbessern sollen und gut sichtbar inszeniert werden. Der geplante Neubau eines Büro- und Geschäftshauses wird nicht nur durch seine prominente Lage an der Ecke Schwanthaler- und Goethestraße, sondern auch durch seine Bauweise auffallen.

Und er wird das südliche Bahnhofsviertel schmücken, so zumindest urteilte die Stadtgestaltungskommission in ihrer jüngsten Sitzung über das Projekt, das vom Pariser Architekturbüro Wilmotte et Associés entworfen wurde. Bauherr ist eine Investmentgesellschaft des Axa-Konzerns, der wiederum das Münchner Immobilienunternehmen Accumulata mit der Umsetzung beauftragt hat.

An den bisherigen Gebäuden mit den ehemaligen Hotels Dolomit (Goethestraße 11) und Cristal (Schwanthalerstraße 36/38) dürfte fast jede Münchnerin und jeder Münchner schon einmal vorbeigekommen sein, liegen sie doch nur ungefähr 200 Meter vom Hauptbahnhof entfernt. Bis Anfang 2025 soll dort also nun ein Komplex mit 14 500 Quadratmetern Geschossfläche, inklusive einer üppigen Hinterhofbebauung, entstehen. Bis zu 1000 Arbeitsplätze könnten dort unterkommen, teilt Accumulata mit.

Der ursprünglich eingereichte Antrag auf Vorbescheid, eine Vorstufe zur Baugenehmigung, ging bei der Lokalbaukommission (LBK) nicht durch, unter anderem weil die Auskragungen zu weit in den Straßenraum hineinragten. Eine überarbeitete Version legte die LBK nun der Stadtgestaltungskommission vor, die die Stadt zu Bauvorhaben von besonderer Bedeutung berät.

Der Architekt Ralf Levedag vom Büro Wilmotte betonte in seiner Präsentation besonders, man wolle einen möglichst nachhaltigen Neubau errichten - wie es vor ihm schon viele Architekten vor der Kommission getan haben. Dazu gehörten nicht nur zahlreiche Fahrradstellplätze, führte Levedag aus, sondern eben auch die Holz-Hybrid-Konstruktion. Zudem sollen möglichst alle verbauten Materialien zu einem späteren Zeitpunkt "im Sinne der Kreislaufwirtschaft wiederverwendbar sein". Die Pflanzen in den Fassadennischen sollen in Trögen stehen und automatisch bewässert werden, "es war uns wichtig, grüne Oasen zu schaffen", so Levedag. Eine solche solle für die Nutzerinnen und Nutzer des Gebäudes auch auf der aufwendig gestalteten Dachlandschaft entstehen. Außerdem kündigte er an, dass man mit Läden und Gastronomie im Erdgeschoss die Straßenzüge belebt halten wolle.

Zu Beginn der Debatte in der Kommission würdigte Stadtheimatpfleger Bernhard Landbrecht das Projekt als "einen wunderbaren Baustein für das Quartier, der ausstrahlen kann". Daniel Oden vom bayerischen Bauministerium nannte die Holz-Hybrid-Bauweise "en vogue und auch angezeigt. Und wenn das mit dem Grün so klappt, ist es eine Bereicherung". An diesem Punkt allerdings hakte die Landschaftsarchitektin Doris Grabner (Freising) ein: Begrünung sei nicht per se nachhaltig, und bei den Bildern habe sie Zweifel, ob das hier erfüllt werden könne: "Fassadenbegrünung dieser Art muss so sein, dass nicht so viele Hausmeister und Hubsteiger nötig sind, um sie zu erhalten." Der Entwurfsverfasser Levedag allerdings versicherte, es müsse niemand vom Straßenraum aus hochsteigen, um Sträucher zu schneiden, das gehe über die Innenräume und eine sogenannte "Befahranlage" an der Fassade.

Ein Aspekt, den die Kommission kritisch sah, war, dass die Bestandsgebäude abgerissen werden und damit viel sogenannte "graue Energie" vernichtet wird - was enorm schlecht für die Umweltbilanz des Bauprojekts ist. Dazu konnte Levedag allerdings nicht viel sagen: Ein Umbau des Gebäudebestands sei wohl vom Bauherren geprüft, aber für die geplante Nutzung als unpraktikabel verworfen worden, erklärte er. Zu dem Zeitpunkt sei sein Büro noch nicht im Projekt gewesen.

Kritische Anmerkungen gab es auch zur Dachlandschaft. Der Architektin Verena Schmidt (Berlin) erschienen die Aufbauten "etwas sehr hoch". Ihre Kollegin Karin Loosen (Hamburg) fand, dass man das Dach beruhigen müsse, "so erinnert es mich an die Hüte der britischen Ladys beim Pferderennen in Ascot". In ihrem Fazit gab die Kommission denn auch den Auftrag, das Dach zu überarbeiten. Zudem nahm sie ein Plädoyer des Architekten Peter Brückner (Tirschenreuth) auf, der die Planung ebenfalls begrüßt, aber ergänzte: "Die versprochene Qualität muss zu 100 Prozent eingehalten werden. Das ist besonders wichtig, wenn man neue Wege geht wie bei diesem Projekt."

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